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Blockadepläne auch ohne Termin

Magdeburg rechnet mit Naziaufmarsch und will sich wehren

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
In Magdeburg wappnen sich verschiedene Bündnisse für Proteste gegen den alljährlichen Aufmarsch von Neonazis im Januar - auch wenn bis jetzt offen ist, ob dieser auch 2015 stattfindet.

Gut vier Wochen sind es noch bis zum 16. Januar, dem 70. Jahrestag der Zerstörung von Magdeburg. Das Datum bescherte der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren bundesweite Aufmerksamkeit. Neonazis suchten mit Aufmärschen, das Gedenken an die Toten zu vereinnahmen. Parolen von einem angeblichen »Bombenholocaust« sollen deutsche Kriegsschuld relativieren. Bis zu 1300 Rechtsextreme kamen zu den Aufzügen, die seit erfolgreichen Blockaden ähnlicher Aktionen in Dresden oder Jena zu den bundesweit letzten verbliebenen Großereignissen dieser Art zählen.

Ob die Szene auch den runden Jahrestag zum Anlass für einen Aufzug nimmt, ist aber noch unklar. »Es gibt bisher keine Anmeldung«, sagt Robert Fietzke, Sprecher des Bündnisses »BlockMD«. Das sei »relativ ungewöhnlich«: Üblicherweise wurde für die Veranstaltung, die eine »Initiative gegen das Vergessen« seit 1998 organisiert, Monate vorab mobilisiert. Dass der Aufmarsch einschläft, ist aber wenig plausibel, auch wenn er zuletzt durch Gegenaktionen beeinträchtigt werden konnte. Eine Brückenblockade verhinderte im Januar 2014 die Anreise vieler Nazis. Der Aufmarsch selbst aber konnte, nicht zuletzt wegen irreführender Informationen der Polizei, fast ungehindert stattfinden.

In Magdeburg rechnet man deshalb damit, dass die Nazis auch für 2015 Pläne schmieden - im Geheimen: »Wir vermuten, dass konspirativ mobilisiert wird«, sagt Fietzke. Denkbare Termine sind neben dem Jahrestag selbst der vorangehende und der folgende Samstag. Auf den 17. Januar konzentrieren sich derzeit alle Akteure, die Gegenaktionen organisieren. Neben der traditionellen »Meile der Demokratie«, die zum siebenten Mal stattfindet, soll es erneut »Meilensteine« geben, die im Stadtgebiet verteilt sind. Sie könnten Ausgangspunkt für Blockaden sein, die parallel von zwei Bündnissen in Angriff genommen werden.

Die »Meile der Demokratie«, eine Art buntes Volksfest, bündelt den »bürgerlichen« Protest. Rund um den Dom präsentieren sich Vereine, Initiativen, Parteien und Gewerkschaften. Im Januar zählte das »Bündnis gegen Rechts« als Organisator 10 000 Gäste. Man wolle »deutliche Zeichen für ein demokratisches und weltoffenes Magdeburg setzen«, heißt es im Aufruf für 2015, den erneut auch SPD-Oberbürgermeister Lutz Trümper unterschrieb. Ihren Ursprung hat die Meile im Bemühen, Nazis aus dem Stadtzentrum fernzuhalten. Die Aufmärsche selbst konnte sie aber nicht verhindern.

Seit 2013 gibt es Versuche, diese zu blockieren. Dazu hatte sich zunächst ein Bündnis »Magdeburg nazifrei« nach Dresdner Vorbild gegründet, das aber umstritten ist. Magdeburger Akteure gehen auf Distanz, weil sich das Bündnis abfällig über die »Meile« äußerte. Die überregionale Antifaszene wiederum stößt sich daran, dass im »Nazifrei«-Bündnis auch eine Gruppe präsent ist, die früher teils gewaltsam gegen andere Linke vorging. Im Januar trat deshalb ein neu gegründetes »Block MD«-Bündnis in Erscheinung. Es richtet sich an Menschen, denen die Meile als Form des Protestes nicht genügt, und propagiert friedliche Blockaden.

An den »fundamentalen Differenzen« hat sich nichts geändert, sagt Fietzke; dennoch praktizieren beide Bündnisse zumindest eine »punktuelle Zusammenarbeit«, etwa wenn es um die Anreise von Bussen aus dem gesamten Bundesgebiet geht. Deren Zahl scheint höher auszufallen als 2014. Für erfolgreiche Blockaden wäre das ebenso wichtig wie eine bessere Beteiligung von Magdeburger Bürgern. Im Januar waren Schätzungen zufolge 2500 potenzielle Blockierer unterwegs - aufgrund der Fehlinformationen der Polizei aber im falschen Stadtteil. Als Konsequenz strebt man diesmal eine »Dezentralisierung der Kräfte« an. Wegen der Größe der Stadt seien 2500 Menschen für dieses Konzept aber »eindeutig zu wenig«, sagt Fietzke. Zunächst gilt es jedoch abzuwarten, ob und wann die Nazis überhaupt marschieren. Zwischen Weihnachten und Neujahr hofft man bei BlockMD auf Klarheit.

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