Einheitsgewerkschaft jenseits des DGB

Die fünf Spartengewerkschaften der Luftverkehrsbranche streben eine Fusion an - mit ver.di wird dabei nicht geredet

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 2 Min.
Womöglich noch in diesem Jahr könnte eine »Industriegewerkschaft Luftverkehr« entstehen. Es wird bereits intensiv verhandelt.

Mit Hochdruck arbeiten die Berufs- und Spartengewerkschaften der Piloten (VC), der Flugbegleiter (UFO), der Flugsicherung (GdF), der Flugverkehrstechniker (TGL) sowie der übrigen Beschäftigten und Dienstleister der Luftfahrtbranche (AGiL) am Aufbau einer Industriegewerkschaft Luftverkehr (IGL).

Einem von UFO initiierten zweitägigen Arbeitstreffen Ende Januar folgt an diesem Wochenende eine weitere Zusammenkunft. Die Gründung der neuen Organisation soll noch in diesem Jahr erfolgen.

Entstehen könnte auf diese Weise eine der schlagkräftigsten Gewerkschaften Deutschlands mit hohem Organisationsgrad und großem Durchsetzungspotenzial für tarifpolitische Forderungen. In den vergangenen Jahren haben sowohl Fluglotsen als auch Piloten und Flugbegleiter des Öfteren bewiesen, dass sie in der Lage sind, enormen wirtschaftlichen Druck auf die Unternehmen auszuüben.

Der Bremer Anwalt Dirk Vogelsang, der einige der beteiligten Organisationen berät und auch als Verhandlungsführer für die Gewerkschaft der Flugsicherung in Erscheinung trat, warnt allerdings vor überzogenen Erwartungen. Es handele sich um einen »sehr komplizierten Prozess«, da Ausgangspositionen und Selbstverständnis der einzelnen Akteure sehr unterschiedlich seien, so Vogelsang gegenüber nd.

Allerdings sei allen Beteiligten klar, dass man dem wachsenden Druck, dem die Beschäftigten in allen Sparten des Luftverkehrs ausgesetzt seien, mit mehr Kooperation zu begegnen sei. Dabei müsse gewährleistet bleiben, »dass sich jeder in der Struktur einer IGL wiederfinden kann«, so UFO-Sprecher Nicoley Baublies nach dem Treffen in der »Rheinischen Post«. Die »Risiken eines Identitätsverlustes der einzelnen Berufsgewerkschaften müssen weitestgehend ausgeschaltet werden, um auch weiterhin die berufsspezifische Interessenvertretung Ihrer Mitglieder zu erhalten«, erklärt dazu die TGL.

Allerdings würde ein reiner Dachverband der Luftfahrtgewerkschaften keine rechtliche Möglichkeit schaffen, gemeinsam als Tarifpartei aufzutreten. Denkbar wäre aber eine Doppelmitgliedschaft. Die weiterhin bestehenden Berufsverbände blieben Ansprechpartner der Mitglieder in allen fachspezifischen Fragen. In der neuen Gewerkschaft IGL würden hingen die Ressourcen für die Tarifpolitik gebündelt.

Zwar beteuert Vogelsang, die Fusionspläne seien kein unmittelbarer Reflex auf die Pläne der Regierung zur Marginalisierung der Spartengewerkschaften per »Tarifeinheitsgesetz«. Doch müssten sich alle Beteiligten Gedanken über eine zukunftsfähige Organisationsform machen, auch als Antwort auf den Vorwurf der »Entsolidarisierung« privilegierter Berufsgruppen auf der einen und die immer schärferen Angriffe der Luftfahrtunternehmen auf Arbeitsbedingungen, Entlohnung und soziale Absicherung auf der anderen Seite.

Eine Annäherung an die dem DGB angehörende Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die in einigen Bereichen der Luftfahrtbranche ebenfalls aktiv ist, steht nicht zur Debatte. Die Berufsgewerkschaften hätten eigene Tarifmächtigkeit schließlich beansprucht, weil sie den Kuschelkurs der ver.di-Vorläufer ÖTV und DAG nicht mehr mittragen wollten.

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