Abrüstung als deklamatorische Floskel

Acht Millionen Menschen fordern die Abschaffung von Atomwaffen, dennoch steht ihre Modernisierung bevor

  • Kristine Karch
  • Lesedauer: 4 Min.
Noch bis 22. Mai findet in New York die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages statt. Zahlreiche Aktionen der Friedensbewegung begleiten die Verhandlungen.

Es ist noch zu früh für ein endgültiges Fazit. Tendenzen der seit zwei Wochen in New York laufenden Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages (NPT) sind aber schon deutlich. Sie ist geprägt von dem Konfrontationsklima zwischen NATO und Russland, in diesem Falle besonders zwischen USA und Russland. In ihren Eröffnungsreden bezichtigten die beiden Außenminister den jeweils anderen in bester Kalter Kriegsmanier der Aufrüstung und der Verletzung von internationalen Normen und Verträgen. Ergänzt wurde diese Atomwaffenverteidigung von den Außenministern aller Atomwaffenmächte. Abrüstung kam bestenfalls als deklamatorische Floskel vor, statt dessen kündigten sie Modernisierung und umfassende Aufrüstung an. Und dem deutschen Staatsminister fiel nichts anderes ein, als eine fast vollständige Unterstützung der US- und NATO-Position.

Der Atomwaffensperrvertrag wurde von 191 Staaten unterzeichnet und beinhaltet neben dem Verbot der Weiterverbreitung von Atomwaffen auch die verbindliche Aufforderung, regelmäßig über die Reduzierung aller Atomwaffen zu verhandeln, mit dem Ziel, sie eines Tages vollständig abzuschaffen. Seit Jahrzehnten ist die Verpflichtung der Staatengemeinschaft, diese Massenvernichtungswaffen zu eliminieren, im Atomwaffensperrvertrag festgeschrieben. Doch Fortschritte bei der Umsetzung dieser oft bekräftigten Verpflichtung sind kaum spürbar. Auch bei dieser Konferenz ist es mehr als fraglich, ob sie zu belastbareren Ergebnissen kommt, als die letzte vor fünf Jahren - und diese wurden nicht erfüllt.

Religionsgruppen warnen

New York. Ganze drei Minuten standen einer Allianz aus 50 religiösen Gruppen (FBOs), Atomkraftgegnern und zivilgesellschaftlichen Organisationen (CSOs) zur Verfügung, um die Welt vor den humanitären Folgen eines Atombombenangriffs zu warnen. Emily Welty vom Weltkirchenrat (WCC) nutzte das enge Zeitfenster, das ihr von der Konferenz der Vertragsstaaten zur Revision des Atomwaffensperrvertrags in New York zugestanden wurde und nahm kein Blatt vor den Mund: »Wir erheben unsere Stimmen im Namen der Vernunft und unserer gemeinsamen Werte als Menschheit. Wir lehnen das unmoralische Verhalten ab, die Völker dieser Welt als Geisel zu nehmen und sie mit einem grausamen und schrecklichen Tod zu bedrohen.«

Welty appellierte an die versammelten politischen Entscheidungsträger, »den nötigen Mut aufzubringen, um die sich immer schneller drehende Spirale des Misstrauens anzuhalten, die das Überleben der menschlichen Gesellschaft und die gemeinsame Zukunft der Menschheit gefährdet«. Menschen hätten ein Recht darauf, in Sicherheit und Würde zu leben und seien Prinzipien wie Gerechtigkeit und der Pflicht verbunden, die Schwachen zu schützen sowie den Planeten für weitere Generationen zu bewahren. Argumente, die auf nationale Sicherheit und auf die Stabilität globaler Machtverhältnisse verwiesen oder die Schwierigkeit, die politische Unbeweglichkeit zu überwinden, seien nicht haltbar.

»Seit August 1945 zwingt die fortgesetzte Existenz von Atomwaffen die Menschheit dazu, im Schatten einer apokalyptischen Zerstörung zu leben«, betonte Welty vor den Delegierten. Die NPT-Revisionskonferenz markiert den 70. Jahrestag der US-Atombombenangriffe auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki zum Ende des Zweiten Weltkriegs. IPS/nd

Aufgrund der Ukraine-Krise haben sich die Spannungen zwischen den USA und Russland massiv erhöht, die USA haben angekündigt den INF-Vertrag zu kündigen, mit dem die atomaren Mittelstreckenwaffen aus Europa verbannt wurden, und arbeiten an der Modernisierung ihrer Atomwaffen in einem Ausmaß, das einer Neustationierung gleichkommt. Davon betroffen sind auch die 20 im rheinland-pfälzischen Büchel lagernden US-Atomwaffen. Die Bundesregierung unterstützt diese Aufrüstung durch die Zusage, die Trägersysteme zu modernisieren. Widerspricht die nukleare Teilhabe der BRD schon dem NPT-Vertrag, so ist die Modernisierung ein weiterer Eskalationsschritt und verschwendet Milliarden von Euro, die sinnvoller für Flüchtlingshilfe und andere soziale Aufgaben eingesetzt werden sollten.

Hoffnungsvoller stimmen da die Nicht-Paktgebunden Staaten (NAM), die kritisierten, dass die 2010 vereinbarte Konferenz über die Errichtung einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Nahen und Mittleren Osten noch nicht stattgefunden hat. Die 120 Staaten mahnten die Aufnahme von Verhandlungen über eine Nuklearwaffenkonvention an und legten einen Aktionsplan vor, der eine weltweite Konferenz im Rahmen der UN im Jahr 2018 beinhaltet.

Herausragend aus Sicht der Friedensbewegung war der Beitrag der von Atomtests besonders betroffenen Marschall Inseln, die ihre Klage vor dem Internationalen Gerichtshof gegen alle neun Atomwaffenstaaten untermauerten und zu so etwas, wie dem atomaren Weltgewissen werden.

Parallel zu der Konferenz wirbt die internationale Friedensbewegung auf den Straßen New Yorks für Abrüstung und die Abschaffung aller Atomwaffen. Angeführt von den Hibakushas, den Überlebenden der Atombombenabwürfe und ihrem »Nie wieder Hiroshima« zogen 7500 Friedensaktivist_innen aus über 20 Ländern durch die Stadt, um ihrer Forderung nach Abschaffung aller Atomwaffen Nachdruck zu verleihen. Auf dem anschließenden Friedensfest wurden mehr als acht Millionen Unterschriften gegen Atomwaffen an die Hohe UN-Repräsentantin für Abrüstungsfragen, Angela Kane und die Vorsitzende der NPT-Konferenz, Taous Feroukhi übergeben, die sich darauf positiv in ihrer Eröffnungsrede bezog. Die meisten dieser Unterschriften wurden in Japan gesammelt.

Zuvor hatten mehr als 600 internationale Teilnehmer_innen der »Peace&Planet-Konferenz« über Alternativen zu Krieg und Atomwaffen und Wege zu einer nuklearfreien, friedlichen, gerechten und nachhaltigen Welt diskutiert. Intensiv wurde dabei über die Unterstützung der Marshall Inseln beraten und mögliche Schritte hin zu einer Welt ohne Atomwaffen erarbeitet, sei es durch einen Kernwaffenteststopp-Vertrag, wie er seit 1996 der internationalen Staatengemeinschaft zur Ratifizierung vorliegt, sei es durch eine Nuklearwaffenkonvention. Die Unterstützung der NAM-Konferenz und die Aktivitäten zum 70. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki standen ganz oben auf der Aktionsplanung.

Kristine Karch vom International Network of Engineers and scientists for global responsibility (INES) nahm an den Alternativaktionen der Friedensbewegung in New York teil.

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