Verdächtige Wölkchen

Rund 300 Demonstranten forderten die Freigabe von Cannabis

  • Josephine Schulz
  • Lesedauer: 3 Min.
Sogar Teile der SPD sind mittlerweile für die Legalisierung des Kiffens. Das Thema könnte im Wahlkampf hochkochen.

Ein inniger Kuss von Angela Merkel und Willy Brandt - das ist an sich schon merkwürdig. Noch merkwürdiger wirkt dieser Kuss auf einem Plakat, das für die Legalisierung von Cannabis wirbt. Unter dem sozialdemokratischen Kanzler wurde 1971 das Betäubungsmittelgesetz beschlossen. Und Merkel ist nicht unbedingt als Mutti der Kiffer bekannt. Der eine wollte seinerzeit mehr Demokratie wagen, die andere mehr Freiheit. Freunde der kleinen grünen Pflanze berufen sich auf diese Worte und fordern: Mehr Hanf wagen! Freiheit und Demokratie auch für Kiffer.

Rund 300 Menschen gehen am Sonnabend in Berlin für die Legalisierung von Cannabis auf die Straße. »Keine Pflanze ist illegal« und »Gebt das Hanf frei«, steht auf ihren Plakaten. Die nötigen Utensilien zum Konsumieren haben einige Demonstranten gleich mitgebracht. Hier und da steigen verdächtig riechende Wölkchen auf. Die Demo ist Teil des »Global Marijuana March«. In Städten auf der ganzen Welt gingen in der ersten Maihälfte Menschen für die Legalisierung von Gras auf die Straße.

»Die herrschende Cannabispolitik ist gescheitert«, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Berliner SPD, Thomas Isenberg. Verantwortlich handeln müsse bedeuten, an der Realität anzusetzen. Und die Realität ist: Gekifft und gedealt wird überall und ständig, in vielen Wohnungen wachsen die Pflanzen ungestört vor sich hin. Die Polizei ist den Kiffern und ihren Versorgern nicht nur einen Schritt hinterher, sondern gegen die Masse völlig machtlos. »Mittlerweile sind sich Experten auch einig, dass die Kriminalisierung den Jugendschutz nicht stärkt, sondern ihn verhindert«, so Isenberg.

Die SPD in Mitte hat bereits einen Beschluss gefasst. Der Kreisverband fordert einen staatlich kontrollierten Anbau und Vertrieb von Cannabis und den freien Zugang von Schmerzpatienten zu Marihuana als Medizin. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg plant die Eröffnung eines Coffeeshops, wo Haschisch kontrolliert verkauft werden kann.

Steffen Geyer, dem Organisator der Demo, geht diese Idee nicht weit genug. Ehe ein solcher Modellversuch anlaufe, werde er längst von der Realität überholt.

Die Demo startet an der Warschauer Brücke. Ein Ort, wo Kiffen schon seit langem öffentliche Realität ist. Der Verkauf und Konsum von Drogen auf dem anliegenden RAW-Gelände hat dem Gebiet bei Politikern einen zweifelhaften Ruf und unliebsame Spitznamen eingebracht. »Die Polizei in Berlin agiert in den vergangenen Jahren so repressiv wie selten.« Die Aktionen richteten sich vor allem gegen kleine Konsumenten und Dealer, so Geyer.

Die kleine grüne Pflanze sorgt in Berlin für Diskussionen. Während in der SPD die Legalisierungsfans zunehmen und freies Kiffen sogar Wahlkampfthema werden könnte, sträuben sich andere mit Händen und Füßen. »Wir haben einen Koalitionspartner, der nicht auf der Höhe der Zeit ist«, meint Isenberg. Eine Schwarze-Sheriff-Politik helfe nicht weiter. Und Simon Kowalewski (Piraten) sagt: »Die von Innensenator Henkel eingerichtete Null-Toleranz-Zone im Görlitzer Park ist verfassungswidrig.« In der aktuellen Situation könne es kaum eine tatsächliche Diskussion geben, da immer das Damoklesschwert der Kriminalisierung über dem Thema hinge.

Nach dem Start auf der Warschauer Brücke klappert die Demo weitere Orte der Kifferszene ab. Bei »Klaus der Kleingärtner«, einem Headshop in Friedrichshain, wird pausiert, die Demonstranten decken sich mit dem nötigen Equipment ein. Dann ziehen sie weiter und singen »Cannabis im Altenheim, das ist gut, das muss sein.« Ende der Demo ist der Weinbergspark in Mitte. Auch hier hat die Polizei trotz regelmäßiger Razzien dem allgegenwärtigen Graskonsum wenig entgegenzusetzen. »Wir kiffen trotzdem«, sagt Steffen Geyer. »Und wir werden das auch morgen und übermorgen machen.«

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