Der BND funktioniert für Merkel ideal

NSA-Untersuchungsauschuss

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 5 Min.
Sie kamen als Zeugen in den Ausschuss und nutzten die Bühne. Innerhalb von zwei Sitzungen brachte der NSA-Untersuchungsausschuss den wohl bisher eindeutigsten Beweis für die gescheiterte Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes.

Sie kamen als Zeugen in den Ausschuss und nutzten die Bühne, die sich ihnen bot. Innerhalb von zwei Sitzungen brachte der NSA-Untersuchungsausschuss den wohl bisher eindeutigsten Beweis für die gescheiterte Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes. Der BND präsentierte sich als Dienst, dessen Mitarbeiter ohne einen Gedanken an politische Konsequenzen einfach nur in dem Rahmen agieren, der technisch möglich ist. Und das Publikum soll es glauben.

Fakten schaffen

Die Aussage von BND-Präsident Schindler machte zum Fakt, dass der Dienst wohl seit Beginn der Nutzung von Selektoren blind agierte, wenn es um andere, als um deutsche Daten ging. Es wurde angeblich nur auf G10-Relevanz geprüft, alle anderen Suchen wurden zugelassen. Zwischen 2005 und 2013 wurden europäische Partner in einem bisher kaum zu definierenden Ausmaß von Deutschland aus überwacht. Angeblich ein Versehen, denn man traute dem US-Partner NSA wohl blind, als neue Überwachungstechnik den Internetverkehr analysieren sollte. Wie groß der Umfang der Überwachung ist, können nur die Selektorenlisten belegen, die das Kanzleramt gerade mit allen Mitteln geheim halten will.

Sauberer Schnitt

BND-Präsident Schindler versuchte mit seiner Aussage einen sauberen Schnitt durch das verworrene Thema. Fehler reduzierte er auf Menschen und Technik. Einzelne Menschen, die Fehler machen und eine Technik, die der BND noch nicht ganz im Griff hatte. Aber künftig solle sich alles bessern. Das sei auch dringend notwendig und es gäbe auch bereits eine Arbeitsgruppe. Das Kanzleramt selbst sei erst seit März 2015 im Bilde.Keine Reue, warum technisches Personal in politisch hoch brisanten Themenbereichen agiert, aber keine Vorsicht walten lässt, wenn neue Technik eingeführt wird. Keine Selbstkritik, dass Mitarbeiter im BND über lange Zeit alles verzögern und abwarten, ob ein Gremium durch Zufall die richtigen Fragen stellt.

Personelle Konsequenzen? Warum?

Innerhalb des BND und der Wehrdisziplinarordnung, der die soldatischen Mitarbeiter unterliegen gibt es nach Aussage des Zeugen Hartmut Pauland (Brigadegeneral und Abteilungsleiter) nicht einmal die Notwendigkeit, gegen die verantwortlichen Unterabteilungsleiter zu ermitteln.
In Eigenregie veranlassten diese Mitarbeiter im August 2013 eine Teilprüfung der Selektoren und erkannten offenbar die politische Dimension. Sie sperrten angeblich über drei Wochen zahlreiche Suchbegriffe, die europäische Partner und Unternehmen betrafen und veranlassten daraufhin: nichts. Es dauerte weitere 19 Monate, bis BND-Spitze und die Fachkontrolle im Kanzleramt durch die Beweisbeschlüsse des NSA-Untersuchungsausschusses erkennen mussten, was da im August 2013 passiert war. Ein politischer Skandal kommt in Zeitlupe und zum spätest möglichen Zeitpunkt im Verantwortungsbereich der Kanzlerin an.

Soldatenjargon und Militärtaktik

Schulterzucken in allen Sitzungen bei der Frage, warum die politisch höchst relevante Meldung nicht schon im August 2013 bis ins Kanzleramt durchgereicht wurde. Nicht nur der SPD-Politiker Christian Flisek hakte bei einer vielsagenden Floskel rund um die Soldatenmentalität nach und suchte darüber nach einer Erklärung.

»Melden macht frei und belastet den Vorgesetzten«

Diesen ehernen Grundsatz mag insbesondere Abteilungsleiter Brigadegeneral Hartmut Pauland überhaupt nicht, wenn er nur dazu diene, dass sich der Meldende seiner Verantwortung entledigt. In der Folgesitzung betonte dann BND-Präsident Schindler, dass das so auch gar nicht gewollt sei.

Die SPD-Politiker wählten aus der Kiste der Soldatenbinsenweisheiten vermutlich nur den falschen Ansatz.

Lassen sich die Seltsamkeiten in Pullach und Bad Aibling doch eher mit dem Grundsatz »Wenn schon Scheiße, dann Scheiße mit Schwung« analysieren? Auch dieser greift zu kurz, denn damit sollen insbesondere junge Soldaten entscheidungsfähig gemacht werden, statt zu zögern und zu zaudern. In Bezug auf die Zeugen wäre das eine Untertreibung, denn es sind keine unerfahrenen, jungen Akteure, die im NSA-Untersuchungsausschuss als Zeugen aussagen müssen.


»Tarnen, täuschen, vernebeln«

Wenn überhaupt eine soldatische Leitlinie auf den BND zutreffen kann, dann wohl »Tarnen, täuschen und vernebeln«:

Tarnen: die Selektorenprüfung im August 2013.
Täuschen: die Aussagen des BND-Personals vor dem Beweisbeschluss BND-26, der den Skandal ins Kanzleramt eskalierte.
Vernebeln: die immer wieder neu auftauchenden Zahlen, Selektorenlisten und technischen Begrifflichkeiten.

In dieser Woche tauchten erstmals Begrifflichkeiten, wie »Equasions« neu in den Zeugenaussagen auf und die Zahlen die rund um die Selektoren diskutiert werden schwanken mittlerweile zwischen 2.000 und 4 bis 8 Millionen. Nach der Aussage von Schindler ist nun auch klar, dass der BND mit eigenen Selektoren arbeitet, die parallel zu den NSA-Selektoren genutzt werden.Daran sollen sich Journalisten, Öffentlichkeit und nicht zuletzt der NSA-Untersuchungsausschuss nun abarbeiten.

Schützenhilfe der CDU-Obleute

Das Verzögerungsgefecht führt der BND gemeinsam mit der Regierungspartei CDU. Durch die Ausschussmehrheit konnte die Aussage von Ex-Kanzleramtsminister Thomas de Maizière nun bis zum 18.06.2015 verschoben werden, statt diesen wie von der Linksfraktion beantragt schon am 22.05.2015 zu hören. Die CDU spricht sich für einen Ermittlungsbeauftragten aus, statt die Obleute aller Fraktionen in die Selektorenlisten Einsicht nehmen zu lassen. Zwischenzeitlich wird das sogenannte Treptowverfahren als Möglichkeit favorisiert, Einblick in die Sektorenlisten zu gewähren.
Doch da sich die Obleute weder Notizen zu den präsentierten Unterlagen machen dürfen, noch vor Ort recherchieren können, was sich hinter den Zahlenkolonnen aus Telefonnummern, IP-Adressen oder Internetseiten wirklich verbirgt, ist auch das Treptowverfahren kein geeignetes Mittel für die Aufklärung.

All das soll davon ablenken, dass das Bundeskanzleramt nicht ad Hoc belegen kann, dass weder europäische Partner im Fokus der Überwachung stehen, noch Politiker anderer Parteien mit den technischen Mitteln des Geheimdienstesüberwacht werden. Alles Geheim – der Dienst funktioniert. Doch eben nur für das Kanzleramt.

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