Schäuble-Grexit auch in Eurogruppen-Papier

Erneut weitere »Reformen« von Athen verlangt / Frankreich, Italien, Luxemburg gegen Berlin / Warnung vor Spaltung Europas / Gabriel kannte Plan des Finanzministers »natürlich«

  • Lesedauer: 21 Min.

Update 22 Uhr: Athen: Positionen der Gläubiger »sehr schlecht«
Innerhalb der griechischen Regierung stößt der vorläufig vorliegende Plan der Gläubiger für das Griechenland auf große Bedenken. Die Positionen der Gläubiger seien »sehr schlecht«, hieß es am Sonntag aus griechischen Regierungskreisen in Brüssel, wo die Staats- und Regierungschefs der Eurozone tagten. Trotzdem wolle Athen aber weiterhin »Lösungen finden«. Griechenland könne einen verzögerten Beginn von Verhandlungen über ein neues Kreditpaket angesichts seiner prekären Finanzlage nicht verkraften, hieß es weiter. Der Gipfel in Brüssel muss entscheiden, ob neue Verhandlungen mit Athen über ein Programm aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM zur Deckung eines Finanzbedarfs von bis zu 86 Milliarden Euro für die kommenden drei Jahre gestartet werden.

Update 21.30 Uhr: Linksfraktion: Gabriel ist eine Schande
Die Vizevorsitzenden der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, haben der Bundesregierung vorgeworfen, an Griechenland »ein Exempel zu statuieren: Wer immer in Europa es wagt, gegen deutsche Vorgaben und neoliberale Politik aufzumucken, der hat keine Chance«. Wolfgang Schäuble und Sigmar Gabriel wollten »ein deutsches Europa und kein europäisches Deutschland. Das Erbe Helmut Kohls wird leichtfertig verspielt und das Verhältnis zu Frankreich und Italien verschlechtert. Dass ein SPD-Vorsitzender inzwischen als Hardliner beim Vorantreiben von Rentenkürzungen, Mehrwertsteuererhöhungen und Privatisierungen vorprescht und Merkel beim Schüren nationalistischer Ressentiments regelmäßig rechts überholt, ist eine Schande«, so die beiden Linkenpolitiker. Dies zeige, »dass mit der SPD wohl auf absehbare Zeit keine sozial verantwortbare Politik zu machen ist«. Die bisherige Politik in Europa nannten Wagenknecht und Bartsch »gescheitert. Es muss dringend eine Lösung für die Staatsschulden nicht nur in Griechenland geben. Überschuldete Ländern brauchen nicht weitere Steuermilliarden, sondern einen Schuldenschnitt. Endlich muss europaweit eine Vermögensabgabe eingeführt werden, die die Profiteure der Krise zur Kasse bittet. In Griechenland wie in anderen Ländern müssen Investitionen in Wachstum und Beschäftigung vorgenommen werden. In Investitionsprogrammen, die die reale Wirtschaft ankurbeln, wäre das EZB-Geld europaweit wesentlich besser angelegt als in obskuren Finanzpapieren, die nur die Vermögensblasen weiter aufblähen und die Reichen noch reicher machen«.

Update 20.55 Uhr: Gauck verteidigt Merkel und Schäuble
Bundespräsident Joachim Gauck hat den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble in der Grexit-Debatte verteidigt. Es gehe der Kanzlerin nicht »um irgendeinen Sieg«, sondern darum, eine Situation zu beenden, »wo Regeln ganz offenkundig über viele Jahre entweder missachtet oder nicht ausreichend kontrolliert« wurden, sagte Gauck am Sonntag im ZDF. Gauck nahm Schäuble wegen dessen Vorstoß für einen zeitweisen Ausstieg Athens aus der Eurozone in Schutz. »Da will einer zeigen, wir sind vorbereitet, falls wirklich etwas Schlimmes passiert. Das muss man nicht gleich als Dominanzgebaren deuten.« Ein Mangel an deutscher Solidarität gegenüber Athen erkenne er nicht. Der Bundespräsident bemühte sich, Sorgen vor einer neuen Kluft zwischen Berlin und Paris zu zerstreuen. Er könne in einer so entscheidenden Phase eine wirkliche Distanz beider Länder nicht erkennen. Gauck plädierte allerdings auch für einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone. »Dieses Europa hat sich verabredet, beieinander zu bleiben.« Bei der Lösung der Krise wünsche er sich sehr viel guten Willen und sehr viel Fantasie.

Update 20.15: Athen: Hunderte Menschen gegen Kürzungspolitik auf der Straße
Mehrere hundert Menschen haben am Sonntagabend vor dem Parlament in Athen gegen die Fortsetzung der Kürzungspolitik demonstriert. Die Teilnehmer forderten die Regierung auf, die griechischen Schulden nicht zurückzuzahlen. Bei der dpa wurden sie als »Autonome und Bürger« beschrieben.

Update 20.05 Uhr: SPD schreibt nun europafreundliche Briefe
Die SPD hat die Staats- und Regierungschefs aufgerufen, beim Griechenland-Sondergipfel nationale Interessen hintan zu stellen. »Eine Aufspaltung in grundsätzlich gegensätzliche nord-, süd- und osteuropäische Positionen zur Griechenland-Rettung wäre das schlimmste Ergebnis und würde Europa und den Euro schwer schädigen«, schreiben SPD-Chef Sigmar Gabriel und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) in einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Brief an die SPD-Bundestagsabgeordneten. Zuvor hatten Gabriel und Schulz vor allem mit ihren sozialdemokratischen Parteifreunden aus Frankreich die Linie für den Gipfel abgestimmt. Das Ziel blieben neue Verhandlungen mit Athen über ein Kreditpaket. »Über den zeitweisen oder dauerhaften Grexit wird nicht verhandelt.« Jedoch habe der Vorschlag aus Athen noch mehrere Probleme. So müssten ein »effektives Monitoring und eine effektive Begleitung für die Umsetzung der Reformen« Teil einer Einigung sein. Für einen großen Zeitverlust machen Gabriel und Schulz die griechische Regierung verantwortlich, deshalb sei der Athener Finanzbedarf auf mehr als 80 Milliarden Euro gestiegen. Die Schuldentragfähigkeit sei problematisch. »Wir wollen alle Chancen nutzen, um im Rahmen des rechtlich Möglichen Schuldenerleichterungen zu erreichen.« Eine Lösung müsse Substanz haben. »Niemand kann sich wünschen, jetzt einem Programm zuzustimmen und in neun Monaten vor der gleichen Lage zu stehen - nur mit 80 Mrd Euro weniger. Auch das könnte den Euro zerstören.«

Update 18.55 Uhr: Schäuble-Vorschlag in Eurogruppen-Papier
Der umstrittene deutsche Vorschlag für ein befristetes Euro-Aus Athens ist in die Empfehlungen der Eurogruppe für den Sondergipfel der Währungsunion aufgenommen worden - allerdings nur als Option in eckigen Klammern. »Falls keine Einigung erreicht werden konnte, sollten Griechenland rasche Verhandlungen über eine Auszeit von der Eurozone angeboten werden, mit einer möglichen Umstrukturierung von Schulden«, heißt es ganz am Ende des Texts, der der Nachrichtenagentur AFP am Sonntag vorlag. Die Passage sei »am Ende als strittig hereingekommen«, sagte ein EU-Diplomat. Im Absatz zuvor werden Athen Verhandlungen über ein neues Kreditprogramm angeboten - sollte Griechenland alle Vorbedingungen der Europartner erfüllt haben. Für den Fall sollen die Eurogruppe und der Rettungsschirm ESM die Gläubigerinstitutionen aus Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission »beauftragen, ein neues Programm auszuhandeln«, heißt es im Text. Allerdings ist auch diese Passage noch in eckige Klammern gesetzt. Würden die Euro-Staats- und Regierungschefs diese Empfehlung annehmen, wäre die Passage über die Euro-Auszeit obsolet, sagte ein zweiter EU-Diplomat. Den Vorschlag für einen Grexit von »mindestens« fünf Jahren hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit zu den Verhandlungen der Eurogruppe in Athen gebracht. Einige Länder stellten sich dahinter, andere werteten ihn als Provokation. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte zum Auftakt des Gipfels klar, dass sie »keine Einigung um jeden Preis« mittragen werde - eine klare Drohung Richtung Athen.

Update 18.35 Uhr: Euro-Gipfel »für bilaterale Treffen ausgesetzt«
Der Sondergipfel der Eurozone zu Griechenland ist unterbrochen worden. EU-Ratspräsident Donald Tusk habe die Gipfel-Verhandlungen »für bilaterale Treffen auf der Suche nach einem Kompromiss ausgesetzt«, teilte ein Sprecher Tusks am Sonntag im Kurzbotschaftendienst Twitter mit. Wie Diplomaten sagten, soll die »Pause« während des Treffens in Brüssel anderthalb Stunden dauern.

Upate 18.10 Uhr: Gabriel: Keine Idee von Schäuble, aber nicht das Papier
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat gesagt, er kenne das Non-Paper von Finanzminister Wolfgang Schäubles (CDU) für eine Eurozonen-Auszeit Griechenlands nur der Idee nach. Gabriel sagte am Sonntag in Brüssel: »Ich kenne kein Papier, ich kenne seine Idee. Aber das ist nicht Gegenstand unserer Gespräche.« Zuvor hatte Gabriel bestätigt, dass Schäubles Plan nicht nur mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), sondern auch mit ihm abgestimmt worden sei. In der SPD wurde dieser Vorstoß scharf kritisiert.

Update 17.20 Uhr: Bofinger nennt zeitweisen Grexit »Mogelpackung«
Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hat den Vorschlag zu einem vorübergehenden Austritt Griechenlands aus der Eurozone als »Mogelpackung« kritisiert. Ein Austritt auf Zeit sei »nichts anderes als ein Grexit«, sagte Bofinger dem »Handelsblatt« (Montagausgabe). Man könne nicht Griechenland zeitweise ausschließen und dann prüfen, ob das Land in die Währungsunion zurückkehren dürfe.

Bofinger äußerte zugleich Bedenken gegenüber der These, dass Griechenland außerhalb der Eurozone durch Abwertung seine Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen und nach einigen Jahren gestärkt wieder beitreten könne. »In einer idealen Welt, mit einer starken und harten Regierung, würde das vielleicht klappen«, führte er aus. »Unter den tatsächlichen Verhältnissen in Griechenland sind Chaos und Hyperinflation wesentlich wahrscheinlicher.« Für die Gläubiger sei das auf keinen Fall die billigere Lösung.

Update 16.50 Uhr: Nicht mein Europa!
Ich (Jahrgang 1977) verband mit Europa durchweg etwas Gutes, Weites und Offenes. Heute, im Juli 2015, geht es bei Europa nur noch um das Zurichten eines Landes wie Griechenland nach deutschen, neoliberalen Austeritätsdogmen. Jan Jorte über einen Kontinent, der sich unter den Zeichen neoliberaler Austeritätsdogmen zum Schlechten wandelt.

Update 16.40 Uhr: Staatschef sollen entscheiden
Die Euro-Finanzminister überlassen ihren Staats- und Regierungschefs die zentralen Beschlüsse zur Lösung der Griechenland-Krise. »Eine Reihe von wichtigen Fragen ist noch offen«, sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem am Sonntag in Brüssel nach zweitägigen Krisenberatungen der Euro-Finanzminister.

Es geht bei dem Tauziehen darum, ob Verhandlungen für ein neues Kreditpaket für Griechenland aufgenommen werden - es könnten Milliarden aus dem Eurorettungsschirm ESM fließen. Viele Eurostaaten fordern von Athen noch mehr Reformen als Gegenleistung als die SYRIZA-geführte Regierung bisher vorgelegt hat..

Dijsselbloem sagte, die Staats- und Regierungschefs sollten nun informiert werden. Nach den Worten des finnischen Ministers Alexander Stubb lautet eine Forderung der Chef-Kassenhüter, dass erste konkrte »Reformen« in Athen bis zum 15. Juli umgesetzt werden müssen, ehe es zu Verhandlungen über weitere Kredite kommt.

Update 16.00 Uhr: Böhmermanns bissige Medienkritik
Kein Clip, wie es auf den ersten Blick scheint – solche Beiträge kennen inzwischen nicht nur die regelmäßigen Fans des Satirikers Jan Böhmermann. In Sachen Griechenlandfrage beweist der Moderator – wie zuletzt im Frühjahr zu Varoufakis Stinkefinger-Posse – wieder einmal eine medienkritische Haltung.

Gemeisam mit seinem Kollegen Klass Heufer-Umlauf hat der Satiriker einen Clip gedreht, in dem beide in unterschiedlichen Hotelzimmern sitzend, sich anrufen, um sich gegenseitig über die »faulen Griechen«, die unsere »deutschen Euros« wollen, zu beschweren. Bei den Äußerungen handelt es sich allerdings allesamt um Zitate aus der deutschen Bericherstattung der letzten Monate zur Griechenlandkrise. Das Hin und Her dauert zwei Minuten, Böhmermann und Heufer-Umlauf reden sich immer stärker in Rage, ehe die eigentliche Pointe folgt.

Am Ende des Videos heißt es: »In diesem Sommer haben wir Deutsche eine historische Chance: Uns ausnahmsweise mal nicht als Arschlöcher zu benehmen. Wir haben guten Grund, Griechenland zu helfen. Denn es geht um etwas, über das wir schon lange reden. Europa.«

Aber sehen Sie hier das Video selbst.

Update 15.20 Uhr: Tsipras will »ehrlichen Kompromiss«
Zum Auftakt des Brüsseler Euro-Krisengipfels gibt sich Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras bereit zu einem »ehrlichen Kompromiss«. »Das schulden wir den Völkern Europas, die Europa vereint wollen und nicht gespalten«, sagte Tsipras am Sonntag vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten. »Wir können heute Abend eine Einigung finden, falls alle Seiten das wollen.«

Update 15.00 Uhr: Hilfsorganisation befürchtet humanitäre Katastrophe
Die Organisation »SOS-Kinderdörfer« warnt vor einer humanitären Katastrophe in Griechenland, wenn sich die Poltik in Europa nicht bald auf einer gemeinsame Antwort auf die Krise einigt. »Schon jetzt erodiert die Mittelschicht in Griechenland massiv«, warnt Louay Yassin, Pressesprecher der Hilfsorganisation.

Schon jetzt seien hunderttausende Menschen in Griechenland auf Hilfe angewiesen. Nach eigenen Angaben untersützen die SOS-Kinderdörfer bereits jetzt Tausende durch die Krise verarmte griechische Familien. »Sollte eine Einigung von EU und der griechischen Regierung scheitern, werden Millionen Griechen vor dem Nichts stehen«, sagte Yassin. Europa müsse sich dann fragen lassen, ob dies nicht hätte verhindert werden können. Die Hilfsorganisation appelliert an die EU-Regierungschefs, solch ein drohendes Szenario abzuwenden.

Update 14.40 Uhr: Eurogruppe verlangt von Athen bis Mittwoch »Reformen«
Griechenlands Regierung soll laut Medienberichten drei Tage Zeit erhalten, um ihre eigene Vorschlagsliste für weitere Kürzungen und »Reformen« noch einmal zu überarbeiten. Dies gehe aus einem Entwurf für die Abschlusserklärung hervor, dass die Grundlage für die Gespräche der Eurogruppe am Sonntag als Vorlage dient, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Der Meldung zufolge schätzen die Euro-Finanzminister den kurzfristigen Kreditbedarf Griechenlands auf 19 Milliarden Euro.

Für eine mögliche Freigabe der benötigten Kredite erhöht die Eurogruppe den Druck auf die SYRIZA-geführte Regierung. Bereits am Mittwoch müssten laut Reuters erste Maßnahmen vom griechischen Parlament verabschiedet werden, »um das Vertrauen in die Reformbereitschaft der griechischen Regierung zu stärken«. Erst dann könne über ein drittes Kreditpaket verhandelt werden.

Update 14.25 Uhr: Treffen sich Hollande und Merkel
Unter dem Eindruck des Streits um das von Finanzminister Schäuble vorgelegte Grexit-Papier beraten sich Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef François Hollande kurz vor dem Euro-Gipfel zu zweit. Das erfuhr dpa in Brüssel am Sonntag »aus Diplomatenkreisen«.

Merkel und Hollande stimmen sich routinemäßig vor Gipfeln der Staats- und Regierungschefs ab. Am Sonntag hat das Gespräch aber besondere Bedeutung, weil die in Frankreich regierenden Sozialdemokraten empört über Vorschläge des deutschen Bundesfinanzminister sind.

Update 14.15 Uhr: Schäubles Positionspapier im Wortlaut
Ein weitere Kreditprogramm unter strenger Kontrolle der Eurogruppe oder ein »Grexit auf Zeit«: Das am Samstag bekannt gewordene Positionspapier von Bundesfinanzminitser Wolfgang Schäuble (CDU) unter dem Titel »Anmerkungen zu den jüngsten griechischen Vorschlägen« stellt Griechenland vor zwei Optionen und erklärt Athens bisherige Kürzungsprogramm- und Reformzusagen für ein neues drittes Kreditprogramm für unzureichend. Da das nur auf Englisch vorliegende Papier für viele Diskussionen sorgte, dokumentieren wir an dieser Stelle den übersetzten Wortlaut :


»Am 9. Juli 2015 hat Griechenland eine Liste von Vorschlägen vorgelegt. Diese Vorschläge basieren auf der letzten Niederschrift und fallen teilweise sogar noch hinter diese Niederschrift zurück, die von der Troika entworfen, um die Überprüfung unter dem EFSF abzuschließen. Griechenland war jedoch nicht in der Lage, die Überprüfung abzuschließen.

Diesen Vorschlägen fehlen einige wichtige Hauptreformbereiche, um das Land zu modernisieren, langfristiges Wirtschaftswachstum und nachhaltige Entwicklung zu fördern. Nicht ausreichend sind unter anderem die Reform des Arbeitsmarkts, die Reform des öffentlichen Sektors, Privatisierungen, Bankensektor, Strukturreformen.

Deshalb können diese Vorschläge keine Grundlage für ein komplett neues, dreijähriges ESM- Programm bilden, wie es von Griechenland verlangt wird. Wir brauchen eine bessere, nachhaltige Lösung, die den IWF an Bord hält. Es gibt jetzt zwei Wege:

1. Die griechische Regierung verbessert ihre Vorschläge schnell und umfassend, mit voller Unterstützung ihres Parlaments. Die Verbesserungen müssen Vertrauen wieder aufbauen, vorab die Schuldentragfähigkeit sowie die erfolgreiche Umsetzung des Programms sicherstellen - damit nach Abschluss des Programms ein erneuter Marktzugang erreicht wird. Die Verbesserungen umfassen:

  • a) Transfer von wertvollen griechischen Aktiva von [50 Milliarden] Euro in einen externen Fonds wie die Institution für Wachstum in Luxemburg, um mit der Zeit privatisiert zu werden und die Schulden zu vermindern;
  • b) Kapitazitätsaufbau und Entpolitisierung griechischer Verwaltungsaufgaben unter Aufsicht der COM (Anmerkung der Redaktion: EU-Kommission) für die genaue Umsetzung des Programms;
  • c) automatische Ausgabenkürzungen, falls Defizitziele verfehlt werden.

Parallel würde eine Reihe von Finanzierungselementen zusammengestellt, um die zeitliche Lücke zu überbrücken, bis die ersten Auszahlungen unter dem verbesserten Programm erfolgen können. Dies bedeutet, dass das existierende Risiko, dass ein neues ESM-Programm nicht abgeschlossen wird, bei Griechenland liegt, nicht bei den Eurozonen-Ländern.

2. Im Fall, dass Schuldentragfähigkeit und eine glaubhafte Umsetzungsperspektive nicht vorab zugesichert werden können, sollten Griechenland rasche Verhandlungen über eine Auszeit von der Eurozone über mindestens die kommenden fünf Jahre mit möglicher Schuldenumstrukturierung angeboten werden, wenn nötig in einem Format des Pariser Clubs. Nur dieser Weg vorwärts würde eine ausreichende Schuldenrestrukturierung erlauben, die mit einer Mitgliedschaft in der Währungsunion nicht vereinbar wäre (Art. 125 AEUV).

Die Auszeit-Lösung sollte begleitet werden, indem Griechenland als EU-Mitglied und das griechische Volk über die kommenden Jahre mit Wachstumsförderung, humanitärer und technischer Hilfe unterstützt werden. Die Auszeit-Lösung würde auch begleitet von der Konsolidierung aller Pfeiler der Wirtschafts- und Währungsunion und konkreten Maßnahmen, um die Steuerung der Eurozone zu stärken.«

Update 14.00 Uhr: »Die Niederlage verstehen heisst den Sieg vorbereiten«
Neun provisorische Überlegungen von »Blockupy goes Athens« nach dem popularen Oxi und dem Ja von Syriza zum Memorandum. Geschrieben nach der Abstimmung im griechischen Parlament und vor der endgültigen Entscheidung der Eurogruppe. Alles ist in diesem Moment offen, wir haben nur ein paar Gewissheiten. Alles kann anders werden, einiges wird aber bleiben.

Update 13.40 Uhr: Asselborn warnt Schäuble vor Spaltung Europas
Nach der Veröffentlichung eines Positionspapiers, in dem das Bundesfinanzministerium einen vorübergehenden Euro-Austritt Griechenlands vorschlägt, hat der luxemburgische Finanzminister Jean Asselborn Deutschland vor einer Spaltung der EU gewarnt. Es wäre »fatal für den Ruf Deutschlands in der EU und der Welt«, wenn Berlin nicht die »Chance« ergreife, die sich aus dem neuesten griechischen Reformangebot ergebe, sagte Asselborn der »Süddeutschen Zeitung« (Montagsausgabe). Ein Grexit - das Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro - müsse verhindert werden.

Wenn Deutschland es auf einen Grexit anlege, provoziere es einen tiefgreifenden Konflikt mit Frankreich, warnte der luxemburgische Außenminister. »Das wäre eine Katastrophe für Europa.« Eine Spaltung der EU in Nord und Süd müsse unbedingt verhindert werden. Die Verantwortung Deutschlands sei »riesig«, sagte Asselborn: »Es geht jetzt darum, nicht die Gespenster der Vergangenheit heraufzubeschwören.«

Update 12.50 Uhr: Frankreichs Sozialdemokraten kritsieren Schäuble
Nach Vorschlägen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für ein fünfjähriges Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone haben sich die in Frankreich regierenden Sozialdemokraten an Vizekanzler Sigmar Gabriel gewandt. Der SPD-Chef solle sich bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für Athen stark machen, forderte der Chef der französischen Parti socialiste, Jean-Christophe Cambadélis, in einer am Sonntag in Paris veröffentlichten Erklärung.

Die Völker in Europa verstünden die deutsche Haltung nicht. »Man kann nicht vor dem Referendum eine Vereinbarung treffen und sie anschließend nicht für gültig halten«, erklärte Cambadélis. Der französische Parteichef regte einen Appell der europäischen Sozialisten und Sozialdemokraten an, um schnell eine tragfähige und dauerhafte Vereinbarung mit Griechenland zu erreichen.

Update 12.20 Uhr: Athen weist Schäubles Vorstoß scharf zurück
Der griechische Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis hat den Vorschlag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für eine mögliche fünfjährige Auszeit Griechenlands in der Eurozone scharf zurückgewiesen. Dies sei nur ein politisches Manöver, das dazu diene, eine Einigung in der Euro-Gruppe zu torpedieren, sagte der Minister am Sonntag dem TV-Sender Mega. Die Athener Regierung hatte zuvor namentlich nicht genannten EU-Partnerländern vorgeworfen, es auf ein Scheitern der Verhandlungen über die Athener Spar- und Reformpläne abgesehen zu haben. »Es ist offensichtlich, dass eine Gruppe von Ländern keine Einigung haben will«, verlautete aus griechischen Regierungskreisen. Einige Länder hätten jedoch wiederholt die Frage der »Vertrauenswürdigkeit« aufgebracht, ohne genau zu sagen, was Griechenland konkret tun solle.

Update 11.30 Uhr: Kazimir: Einigung ist »heute nicht möglich«
Der slowakische Finanzminister Peter Kazimir schließt eine Lösung des griechischen Schuldendramas bei den Verhandlungen der Eurostaaten am Sonntag aus. »Es ist nicht möglich, heute eine Einigung zu finden«, sagte Kazimir am Sonntagmorgen vor Beginn der Gespräche der Euro-Finanzminister.

Update 11 Uhr: Grüne werfen Schäuble »historischen Fehler« vor
Die Grünen haben den Vorschlag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu einem vorübergehenden Austritt Griechenlands aus der Eurozone scharf kritisiert. »Dass die Bundesregierung einen Euro-Austritt Griechenlands betreibt, ist ein historischer Fehler«, erklärten die Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter am Sonntag. Die Pläne Schäubles seien »nicht nur inakzeptabel, sondern verfassungswidrig«, da der Bundestag nicht zu dem am Samstag bekanntgewordenen Positionspapier des Bundesfinanzministeriums befragt wurde. »Die Bundesregierung kann so weitgehende Entscheidungen nicht ohne den Deutschen Bundestag treffen«, erklärte Hofreiter und Göring-Eckardt. Dies sei ein Verstoß gegen die Informationsrechte des Bundestags aus Artikel 23 des Grundgesetzes. Die Grünen kündigten deshalb den Gang vor das Verfassungsgericht an, sollte der Vorschlag aufrechterhalten werden.

Update 10.40 Uhr: EU-Gipfel abgesagt, Euro-Gipfel findet statt
Die Absage des EU-Sondergipfels aller 28 Staats -und Regierungschefs am Sonntagabend ist nach Angaben eines EU-Diplomaten auf zähe Griechenland-Verhandlungen in der Eurogruppe zurückzuführen. »Wir brauchen so viel Zeit wie möglich, um die Gespräche in der Eurozone abzuschließen«, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Sonntag in Brüssel. Zuvor hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk den für den Abend angesetzten EU-Sondergipfel zur Griechenlandhilfe abgesagt. Es werde am Nachmittag nur das ohnehin geplante Gipfeltreffen der 19 Staats- und Regierungschefs der Euroländer geben, teilte Tusk auf Twitter mit. Um 11 Uhr sollen zunächst die Euro-Finanzminister ihre abgebrochenen Beratungen fortsetzen.

Gabriel kannte Schäubles Grexit-Plan »natürlich«

Berlin. Der Konflikt um die Schulden Griechenlands und die europäische Krisenpolitik spaltet Europa. Die Eurogruppe verständigte sich in der Nacht zum Sonntag nicht auf eine gemeinsame Haltung. Nachdem EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds die neuen Vorschläge der griechischen Regierung positiv kommentiert hatten, setzte sich die Bundesregierung am Samstag abermals an die Spitze eines Nein-Lagers.Die Liste aus Athen, in der Maßnahmen aufgelistet sind, die die SYRIZA-geführte Koalition im Gegenzug für ein milliardenschweres Kreditprogramm aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus umsetzen will, hält man in Berlin nicht für ausreichend und drängt auf weit mehr Kürzungen und »Reformen«. Zudem strapazierte die Bundesregierung das Argument, es gebe kein Vertrauen mehr in die griechische Regierung.

Dass am Samstagabend noch ein so genanntes Non-Paper der Bundesregierung bekannt wurde, in dem offen ein vorübergehender Grexit als eine der beiden nun aus Berliner Sicht noch offenen Option beschrieben wird, eskalierte die Lage in der Nacht - auch innerhalb der Bundesregierung und in der SPD. Zunächst hieß es, der Vorschlag Wolfgang Schäubles sei mit dem Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel abgestimmt. Dies wiesen führende SPD-Vertreter vehement zurück, die Nachrichtenagentur dpa bestand aber auf ihrer Version.

Diese wurde schließlich von Gabriel selbst bestätigt: Im Sozialen Netzwerk Facebook erklärte der SPD-Chef, der Vorschlag Schäubles sei »natürlich« der SPD bekannt. In der aktuellen Lage müsse jede denkbare Option »unvoreingenommen geprüft werden«. Ein vorübergehendes Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone sei aber nur möglich, wen Athen dies »selbst für die bessere Alternative halten würde«. Griechenland hat freilich immer klargemacht, im Euro verbleiben zu wollen.

Gabriels Facebook-Post im Wortlaut:
Die SPD verfolgt nach wie vor das Ziel, Griechenland in der Eurozone zu halten, wenn die dafür notwendigen Bedingungen geschaffen werden können. Das ist auch das gemeinsame Ziel der Bundesregierung. Und darüber wird derzeit in Brüssel beraten. Die SPD legt dabei besonderen Wert auf ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen mit Frankreich. Der Vorschlag des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble für ein zeitlich befristetes Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone ist der SPD natürlich bekannt. In einer derart schwierigen Situation muss auch jeder denkbare Vorschlag unvoreingenommen geprüft werden. Dieser Vorschlag wäre aber nur realisierbar, wenn die griechische Regierung ihn selbst für die bessere Alternative halten würde.

Der SPD-Politiker Hubertus Heil sagte, Schäuble spielt falsch: sein Grexit-Plan hat NICHT die Unterstützung der SPD. Sein Parteifreund Johannes Kahrs erklärte im Kurznachrichtendienst Twitter, Gabriel und die SPD »wollen kein Grexit auf Zeit«. Die Debatte drehte sich in der Nacht dann zusehends darum, ob die SPD einem solchen Vorschlag auch zustimmen würde. Die ebenso wichtige Frage, ob sie von der Option und der Tatsache Kenntnis hatte, dass die Bundesregierung sie praktisch als offizielle Haltung Berlins in der Eurogruppe eingebracht hat, trat in den Hintergrund.

Das Bekanntwerden des Non-Paper am Samstag dürfte nicht zuletzt als Beitrag zur Erhöhung des Drucks auf die griechische Regierung an die Presse durchgestochen worden sein. Es enthält neben der Grexit-Option auch sehr weitreichende Forderungen der Bundesregierung an die griechische Regierung. So müsse Athen nicht nur mehr Kürzungen, Maßnahmen zur Steigerung der Staatseinnahmen und Stukturmaßnahmen umsetzen, um in den Genuss neuer Kredite zu kommen, mit denen im Wesentlichen alte Schulden getilgt werden dürften. Sondern die griechische Regierung solle auch öffentliche Vermögenswerte an einen Treuhandfonds übertragen - in Höhe von 50 Milliarden Euro. Diese sollen dann veräußert und die Einnahmen zur Schuldentilgung verwandt werden.

In der Eurogruppe stieß Berlins Vorstoß nicht auf ungeteilten Beifall. Frankreich, Italien, Zypern und andere positionierten sich auf der Seite der griechischen Regierung und plädierten dafür, auf der Basis der vorliegenden Vorschläge weiter zu verhandeln. Laut dem britischen »Guardian« hat die italienische Regierung in deutlichen Worte die Bundesregierung vor ihrem Europa-spaltenden Kurs gewarnt. Die Worte »genug ist genug« seien gefallen. Beim Gipfel am Sonntag wolle der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi Berlin dazu drängen, eine Vereinbarung zum Wohle der EU zu finden. Die Botschaft lautet: eine Einigung nicht nur zum Wohle Deutschlands, das immer offener seine Hegemonieansprüche in Europa durchzusetzen scheint.

Nord- und osteuropäische Staaten stimmten hingegen der ablehnenden Haltung Berlins zu, die Portugal und Spanien suchten Berichten aus dem Kreis der Verhandler zufolge eine eher vermittelnde Rolle einzunehmen. Die Eurogruppe konnte sich in der Nacht nicht auf eine Abschlusserklärung einigen, die als Voraussetzung für eine Einigung beim EU-Sondergipfel am Sonntag gilt. Die Gespräche sollen am Vormittag fortgesetzt werden. nd/Agenturen

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