Afroamerikaner starb nach Festnahme

US-Beamte hatten bei Vorfall in Alabama Pfefferspray eingesetzt / Hunderte Tote durch Polizeigewalt

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Polizeigewalt in den USA hat erneut ein Opfer gefordert. Ein schwarzes. Nach dem Tod des Mannes wird nun ermittelt.

Washington. Abermals ist in den USA ein Schwarzer nach einer Festnahme durch Polizisten gestorben. Der 35-Jährige kam nach Polizeiangaben vom Samstag (Ortszeit) am Freitag in Tuscaloosa im Bundesstaat Alabama zu Tode, nachdem Beamte Pfefferspray gegen ihn eingesetzt hatten. Unabhängige Ermittler sollen den Fall untersuchen.

Nach Darstellung der Polizei von Tuscaloosa hatte ein Anrufer die Polizei alarmiert, weil der Afroamerikaner den Angaben zufolge bewaffnet auf der Veranda seines Nachbarn gesessen hatte. Als die Beamten eintrafen, floh der Verdächtige in einen nahe gelegenen Wald. Er habe sich seiner Festnahme widersetzt, woraufhin die Polizisten Pfefferspray eingesetzt und ihm Handschellen angelegt hätten. Auf dem Weg aus dem Wald sei der Mann zusammengebrochen, die Beamten hätten ihm Erste Hilfe geleistet und einen Krankenwagen gerufen. Später sei er im Krankenhaus gestorben. Nach Polizeiangaben wurden Ermittlungen zu den Todesumständen des Mannes eingeleitet, an denen auch Ermittler außerhalb der Polizeibehörde beteiligt seien.

Pfefferspray kommt in den USA wie auch in Deutschland zum Einsatz, um unmittelbaren Zwang zu exekutieren. Der Stoff Oleoresin Capsicum (OC) löst eine starke Reizung der Schleimhäute aus, es kommt zu Augenschwellungen und Hautbrennen. Gelangt Pfefferspray in die Atemwege, sind Husten und auch Atemnot die Folgen. OC wird offiziell als relativ sicher dargestellt, allerdings wurden in der Vergangenheit wiederholt Todesfälle beschrieben, für die dieser Inhaltsstoff verantwortlich gemacht wurde.

In den vergangenen Monaten hatte eine Reihe von Fällen tödlicher Polizeigewalt gegen Afroamerikaner in den USA zum Teil gewalttätige Proteste und Diskussionen über Rassismus in der Polizei ausgelöst. Ende April wurde die Ostküstenstadt Baltimore von schweren Ausschreitungen erschüttert, nachdem ein junger Afroamerikaner im Polizeigewahrsam ums Leben gekommen war.

Diese Welle der Gewalt in Baltimore nach dem Tod des Afroamerikaners Freddie Gray hatte den Polizeichef der US-Metropole den Job gekostet. Bürgermeisterin Stephanie Rawlings-Blake entließ Anthony Batts in der vergangenen Woche, wie die »Baltimore Sun« berichtete. »Zu viele sterben weiter auf unseren Straßen«, begründete die Bürgermeisterin den Schritt. Batts hatte die Polizei im April geleitet, als Gray nach seiner Festnahme in Polizeigewahrsam schwere Rückenverletzungen erlitt, ins Koma fiel und eine Woche später starb.

Der Tod des 25-Jährigen löste schwere Unruhen aus. Die Unruhen ebbten zwar rasch ab, seither stieg allerdings die Gewalt in Baltimore stark an. Von 155 Tötungsdelikten ereigneten sich der Polizei zufolge 81 seit Anfang Mai.

Zudem gab es Kritik an Batts Vorgehen während der Unruhen. Der Bericht einer Polizeigewerkschaft kommt laut lokalen Medien zu dem Schluss, die Ausschreitungen hätten verhindert werden können. Nach dem Tod des Afroamerikaners wurden sechs Polizisten angeklagt.

Schätzungen zufolge sterben in den USA jährlich über 900 Menschen durch Polizeigewalt. Die Bundespolizei FBI führt eine Statistik, in der sie von 383 Toten im Durchschnitt der vergangenen acht Jahre spricht. Eine Abteilung des Justizministeriums hat allerdings herausgefunden, dass die Zahlen des FBI im Jahresschnitt um 545 Tote von ihrer eigenen Untersuchung abweichen. Das heißt: Weniger als die Hälfte der Menschen, die von Polizisten in den USA getötet werden, sind überhaupt erfasst. Ein unverhältnismäßig großer Teil der Opfer ist schwarz, ein überwältigend großer Teil der beteiligten Beamten weiß. Ungeachtet der Straßenproteste in jüngster Zeit zeigt sich die US-Politik kaum an diesem Thema interessiert. Im parteiinternen Wahlkampf um die Kür der Präsidentschaftskandidaten bei Republikanern und Demokraten haben die alljährlich Hunderten Toten durch Polizeigewalt kaum eine Chance neben den Spitzenthemen wie Finanzen, Steuern oder Immigration. Agenturen/nd

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