Der lange Weg

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.

Flüchtlinge, die studieren wollen, müssen Ausdauer haben. In der Regel müssen sie vor Antritt des Studiums ihre Identität, einen entsprechenden Schulabschluss, Deutschkenntnisse auf hohem Niveau sowie den durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgestellten Nachweis ihrer Schutzbedürftigkeit vorweisen. Wertvolle Zeit, die verloren geht. Zwei Studierende haben nun im Internet die Kiron University gegründet, bei der Flüchtlinge sofort anfangen können, wie zeit.de postet. Das erste Semester sei durch eine Crowdfunding-Kampagne abgesichert, so dass man im Oktober mit 1000 Studierenden beginne. Für eine längerfristige Perspektive setze man auf staatliche Unterstützung. Die Kosten lägen bei circa 400 Euro pro Studierenden und Jahr und beinhalteten Prüfungsgebühren für Onlinekurse, Zugang zur Bibliothek und einen gebrauchten Laptop mit WLAN-Stick. Fünf englischsprachige Studiengänge wie Computer- und Ingenieurwissenschaften, Ökonomie, Architektur und Intercultural Studies würden angeboten. Nach zwei Jahren könnten Studierende bei entsprechenden Leistungen an eine der bereits 15 deutschen und ausländischen Partner-Universitäten wechseln und dort das Studium beenden.

Die meisten Neuankömmlinge müssen sich indes erst durch die Mühlen der Bürokratie kämpfen. Auf spiegel.de erzählt ein aus Syrien kommender Student von seinen Schwierigkeiten. So hätten sich die Sprachkurse über eine zu lange Zeit erstreckt. Dann habe er Probleme bei der Wohnungssuche gehabt, obwohl er fließend Englisch spräche. Nicht zuletzt verlief der Beginn seines Studiums deprimierend. Kaum ein Kommilitone habe mit ihm gesprochen oder geholfen. Erst als er von der Zahnmedizin zur Allgemeinmedizin wechselte, sei das Leben für ihn einfacher geworden. Mittlerweile habe er auch deutsche Freunde und käme in der Uni sehr gut voran. Obwohl er die deutsche Kultur und Mentalität sehr schätze, schrecke ihn aber der Rassismus hier ab, weshalb er überlege, nach seinem Studium ins Ausland zu gehen.

Inzwischen haben Wissenschaftler der sozial-psychologischen Fakultät an der Philips-Universität Marburg einen offenen Brief an Angela Merkel, alle Fraktionen im Bundestag und den Landtagen sowie an deren Ministerpräsidenten verfasst und auf uni-marburg.de gepostet: »Die Unterstützung für Flüchtlinge aus der Bevölkerung ist beeindruckend. Es besteht allerdings die Gefahr, dass diese positive Haltung nicht stabil ist und dass zumindest Teile der Gesellschaft in Ablehnung, vielleicht sogar aktive Zurückweisung und Gewalt kippen. Dies hätte massive Auswirkungen auf die Flüchtlinge und den Zusammenhalt der Zivilgesellschaft in Deutschland und Europa. Aus sozialpsychologischer Perspektive sind einige Entwicklungen besorgniserregend, aber - bei entsprechendem Willen - auch vermeidbar«, heißt es in dem Schreiben.

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