Tödliche Unterschiede wenig erforscht

Frauen und Männer haben andere Ursachen und andere Symptome für Bluthochdruck und Herzerkrankungen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Differenziertes Wissen zu den Geschlechterunterschieden ist weiter Mangelware. So lautet das Fazit zweier internationaler Kongresse für Genderforschung in der Medizin, die in Berlin stattfanden.

Ein Herzinfarkt zeigt sich bei Frauen mit anderen Symptomen als bei Männern - soweit wissen das heute schon die meisten Ärzte und auch viele Patienten. Wird aber nach der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder sogar nach wirksamer Prävention gefragt, fehlt differenziertes Wissen zu den Geschlechterunterschieden. Zwei internationale Kongresse für Geschlechterforschung in der Medizin verstärkten in der vorigen Woche in Berlin den Eindruck, dass der Forschungsbedarf enorm ist.

Offen ist unter anderem, warum Aortenaneurysmen bei Männern häufiger vorkommen, während diese Ausbeulungen großer Blutgefäße bei Frauen seltener sind, jedoch problematischer verlaufen. Von Vorhofflimmern sind beide Geschlechter gleichermaßen betroffen, bei etwa drei Prozent der Bevölkerung lässt es sich nachweisen. Zu den Folgen gehört der Schlaganfall, aber warum erleiden ihn Frauen häufiger?

Die US-Forscherin Kathryn Sandberg widmet sich seit Jahren einem der wichtigsten Risikofaktoren für sogenannte kardiovaskuläre Ereignisse, dem Bluthochdruck. Sie geht davon aus, dass die essenzielle Hypertonie - also ein Bluthochdruck ohne nachweisbare Primärerkrankung - bei Männern eher auftritt als bei Frauen. In vielen Studien fanden sich Unterschiede in den Gefäßsystemen, den Nieren und im sympathischen Nervensystem gefunden - sie alle wirken auf den Blutdruck. Ein weiterer Einflussfaktor ist das Immunsystem - und genau dessen Wirkungen untersucht die Biochemikerin Sandberg. Ihre Hypothese: die körpereigene Abwehr wirkt bei den Geschlechtern unterschiedlich, wenn es um die entzündungsinduzierte Hypertonie geht. Sandberg hält weitere Studien für nötig, um genau diese Unterschiede herauszuarbeiten.

Jane Reckelhoff, ebenfalls aus den USA, forscht unter anderem zu Mechanismen, die den weiblichen Bluthochdruck ab der Menopause beeinflussen. Grundlage ihrer Untersuchungen ist, dass die Frauen bis zum Aussetzen ihrer Monatsblutungen offenbar vor den meisten kardiovaskulären Ereignissen geschützt sind. Ihr Risiko steigt danach aber deutlich an. Die zugrunde liegenden Mechanismen seien noch nicht verstanden, und nicht so einfach wie nur die An- oder Abwesenheit von Östrogenen. Bei Männern vermutet man, dass sinkende Spiegel von Sexualhormonen wie Testosteron häufig chronische Krankheiten begleiten und kardiovaskuläre Leiden verschlimmern könnten.

Bluthochdruck gilt als der wichtigste Faktor für das erhöhte Risiko jüngerer Männer, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu bekommen, gegenüber den gleichaltrigen Frauen. Das Sterblichkeitsrisiko in der Gruppe unter 50 Jahren ist bei Männern fast fünfmal so hoch wie bei Frauen.

Der Unterschied ist zu 41 Prozent durch die Risikofaktoren eines erhöhter Werte beim Blutdruck, dem Cholesterin und dem Blutzucker sowie durch das Rauchen erklärbar. In Europa sterben pro Jahr 77 000 Frauen und 253 000 Männer unter 65 Jahren an der koronaren Herzerkrankung. Über die gesamte Lebenszeit sterben absolut mehr Frauen als Männer an diesem Leiden.

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