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Lehrreich

Conrad Taler über den Auschwitz-Prozess

Es sind vor allem drei Beobachtungen, die sich fest in sein Gedächtnis einprägten: zum einen die erschütternden Aussagen der Überlebenden der ungeheuerlichen faschistischen Verbrechen, zum anderen das erbärmliche Verhalten der Angeklagten - »sie leugnen und stellen sich dumm« - sowie drittens »die quälende Rückkehr in den Alltag am Schluss eines jeden Verhandlungstages«. Kurt Nelhiebel alias Conrad Taler fragt sich: »Musste das Leben nicht stillstehen angesichts des Grauens, das eben noch im Gerichtssaal auf mich eingestürzt war?«


Conrad Taler: Asche auf vereisten Wegen. Berichte vom Auschwitz- Prozess.
PapyRossa. 168 S., br., 13,90 €.


Der Bremer Journalist, Jg. 1927, verfolgte den Auschwitz-Prozess, in dem vor 50 Jahren die Urteile gefällt wurden. Zu mild, wie schon Zeitgenossen befanden und der Chronist befindet. Dennoch markierten die 154 Tage, an denen das Frankfurter Schwurgericht über die Schuld von 22 NS-Tätern zu befinden hatte, eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik. Sie verdankte sich dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der unbeirrt gegen eine Justiz ankämpfte, die sich verhielt »wie der Jagdhund, der zur Jagd getragen werden muss« - so der Kommentar des DDR-Anwalts Friedrich Karl Kaul.

Conrad Taler hat vergilbte Zeitungsseiten durchblättert und sich dankenswerterweise zu einer Wiederveröffentlichung seiner Berichte entschieden. Angesichts der Tatsache, dass beispiellose Verbrechen wieder zerredet und relativiert werden. Nicht nur an Stammtischen oder auf Straßen und Plätzen. Aus pastoralem, nunmehr präsidialem Munde war 2006 die Empfehlung zu hören, den Holocaust als »Phänomen der modernen Zivilisation« rational einzuordnen, statt ihn auf eine »quasireligiöse Ebene« zu heben. Für diese Ungeheuerlichkeit gehört Gauck nachträglich vom höchsten Amt im Staate entpflichtet!

Es ist lehrreich wie erschütternd zu lesen, wie die Mörder sich als ahnungslose Biedermänner gerierten und Verteidiger sie »herauszuhauen« suchten. Die Empörung des Berichtenden ist nachzuempfinden: »So sind sie, diese Ungeheuer in Menschengestalt: Wenn es um sie selbst geht - mimosenhaft empfindlich; gegenüber anderen - keine Gnade.« Taler stellt klar: »Keiner von ihnen war gezwungen, aus Furcht vor Bestrafung zu morden. Sie handelten nicht im Befehlsnotstand, wie Staatsanwalt Hinrichsen von der Zentralen Stelle zur Ermittlung von NS-Verbrechen als Zeuge betonte.« Taler hat übrigens 1964 die »Ordensaffäre Bütefisch« ausgelöst: Bundespräsident und Ex-KZ-Baumeister Lübke hatte einem I.G.-Farben-Chemiker und SS-Obersturmbannführer das Bundesverdienstkreuz verliehen - während der Auschwitz-Prozess tagte!

Von Fritz Bauer stammt die Mahnung: »Nichts gehört der Vergangenheit an, alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden.« Bücher wie dieses können vorbeugen.

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