Werbung

Wasserwerfer zum Jahrestag

Fünf Jahre nach der ägyptischen Revolution ist die Repression größer als zuvor

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor fünf Jahren begann die ägyptische Revolution. Erfüllt haben sich die Erwartungen nicht: Zwar trat Staatschef Mubarak zurück. Doch unter den neuen Machthabern wurde Ägypten unfreier als je zuvor.

Auf den Straßen der ägyptischen Städte sind Zehntausende Polizisten und Soldaten aufgezogen. Schon am Sonntag waren Kontrollpunkte errichtet sowie Einsatzfahrzeuge und Wasserwerfer in Stellung gebracht worden. Im Fernsehen hielt derweil Präsident Abdelfattah al-Sisi eine Rede: »Das heutige Ägypten ist nicht das von gestern. Zusammen bauen wir einen zivilen, modernen und fortgeschrittenen Staat auf, der die Werte der Demokratie und der Freiheit aufrecht erhält und seinen Pfad der Entwicklung der Wirtschaft weiter beschreitet.«

Für Youssef ist das »blanker Hohn«: Ägypten sei heute unfreier als je zuvor. Youssef ist nicht sein richtiger Name. Vor fünf Jahren hatte der junge Mann zu jenen gehört, die über Facebook und Twitter die Massenproteste organisiert hatten, die ausgerechnet am »Tag der Polizei«, der in Ägypten am 25. Januar abgehalten wird, begannen. 18 Tage später musste Staatschef Husni Mubarak nach 30 Jahren an der Macht zurücktreten; die Demonstranten wähnten sich am Ziel.

Aber aus dem »arabischen Frühling« wurde schnell der »ägyptische Sommer«. Mitte 2013 setzte das Militär unter Führung seines Generalstabschefs Sisi den zwar frei gewählten, aber der Muslimbruderschaft nahestehenden Präsidenten Mohammed Mursi ab - zum Schutz der Demokratie, wie es damals immer wieder zur Begründung hieß.

»Doch viel übrig geblieben ist davon nicht«, sagt Youssef: Er selbst wird heute von der Polizei gesucht; die meisten seiner einstigen Mitstreiter sitzen bereits in Haft. Nach der Machtergreifung Sisis folgte eine Verhaftungswelle, die nach Ansicht der Bürgerrechtsanwältin Ragia Omran beispiellos ist: »Wir befinden uns in einer schlechteren Lage als zu Mubaraks Zeiten. Die Lebensbedingungen in den Gefängnissen sind miserabel. Dort, aber vor allem in Polizeistationen wird gefoltert.«

Grund dafür, da sind sich internationale Menschenrechtsorganisationen einig, ist vor allem, dass die sogenannte Sicherheitspolizei wiederbelebt wurde, die nach Mubaraks Sturz aufgelöst worden war.

Es ist einfach, heute in Ägypten in die Mühlen von Polizei und Justiz zu geraten. So verbrachten mehrere Journalisten des Fernsehsenders Al-Dschasira gut zwei Jahre im Gefängnis, weil sie »falsche Nachrichten« verbreitet haben sollen; ein Tatbestand, der sich in keinem ägyptischen Gesetzbuch findet. Und 2014 wurden mehrere hundert Menschen in einem Prozess zum Tode verurteilt; das erste solcher Massenverfahren. Unter den Verurteilten ist ein Anwalt, der seinen Mandanten besuchen wollte und vom Gefängnispersonal auf die falsche Liste gesetzt wurde.

Im November wurde der in Frankfurt am Main arbeitende Chirurg Ahmed Said fest genommen und später zu zwei Jahren Haft verurteilt. Er hatte an einem stillen Protest für die Opfer eines Zusammenstoßes zwischen Demonstranten und Militär Ende 2011 teilgenommen, bei dem 42 Menschen ums Leben kamen. Der Vorwurf: Er soll den Verkehr behindert haben; laut Gesetz ist dies eigentlich eine Ordnungswidrigkeit.

»Ja, einige Praktiken der Sicherheitsorgane verletzen die Menschenrechte«, gab Innenminister Abdel Ghaffar gegenüber CNN offen zu. »Wegen der Realität, in der wir leben, sind sie aber notwendig. Wir sehen uns mit einer beispiellosen Welle des Terrorismus konfrontiert.«

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal