Küken und der Weihnachtsmann

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

»Platzeck vor seiner dritten Amtszeit« (Hamburger Abendblatt), »Platzeck kann sich Koalitionspartner aussuchen« (Handelsblatt), »Der Unerreichbare« (FAZ). In vielen Zeitungen ist die Brandenburg-Wahl schon längst entschieden und man fragt sich, warum in diesem Bundesland eigentlich noch gewählt wird? Warum so viel Geld ausgeben? Das Beste ist, Platzeck wird ohne viele Umstände als Sieger ausgerufen, dann hat die liebe Seele Ruh’.

Mit Sicherheit gefällt dem SPD-Spitzenkandidaten dieses Spiel seiner Verbündeten selbst nicht so sehr, obwohl er sich in seiner 20-jährigen politischen Karriere an den Beifall sehr gewöhnt hat und auch zu den Politikern gehört, die auf die Abwesenheit von Beifall recht ungehalten reagieren.

Das Gesetz der Serie jedenfalls kommt Platzeck nicht entgegen. Seine SPD errang 1994 stolze 54 Prozent, sie rutschte 1999 auf 38 Prozent und 2004 auf schnöde 31 Prozent. Man mag sich die Fortsetzung des Kurses gar nicht ausrechnen. Die Slawistin und Linksfraktionschefin Kerstin Kaiser hat Recht, wenn sie immer mal wieder das alte russische Sprichwort zitiert: »Die Küken werden im Herbst gezählt«.

Sachlich betrachtet, ist die politische Bilanz Platzecks so stolz überhaupt nicht. Sein bislang einziger Wahlsieg in Brandenburg mit 31 Prozent führte zur Bildung einer angeblich großen Koalition, die aber tatsächlich bloß von 51 Prozent der Wählerstimmen getragen war. Es handelt sich also um die kleinste Variante. Die Bezeichnung große Koalition hätte ein Bündnis mit der PDS verdient, denn die kam auf 28 Prozent. Mit der PDS hätte die SPD zum Kurs ihrer beliebten früheren Sozialministerin Regine Hildebrandt zurückfinden und viele linke Wahlversprechen der Sozialdemokraten erfüllen müssen. Bequemer war da ein Koalitionspartner CDU. Die CDU konnte mit lediglich 19 Prozent den Mund nicht allzu weit aufmachen, aber immer als Schuldiger und Feigenblatt herhalten, wenn die SPD gegen ihre eigenen Versprechungen stimmte.

Es ist natürlich falsch, zu sagen, der SPD seien im Wahlkampf alle Mittel recht. Einige aber schon. Vor allem – Fördermittel. In dieser Beziehung hat der Landkreis Prignitz gerade seinen Weihnachtsmann gefunden beziehungsweise seinen Knecht Ruprecht. Der heißt mit vollem Namen Holger Rupprecht, ist SPD-Mitglied und Bildungsminister. Holger Rupprecht hat vor der Wahl strikt darauf bestanden, dass Politiker von der sechsten Woche vor dem Wahltermin an nicht in Schulen auftreten dürfen. Das gilt für alle – außer natürlich für Holger Rupprecht. Der tourt im Land herum und verteilt Fördermittel für die Schulsanierung. Das ist mit Schnappschüssen verbunden, wie Politiker sie lieben. Denn alle lachen. Seit Juli hatte er allein im Landkreis Prignitz stolze fünf diesbezügliche Weihnachtsmann-Auftritte.

Der Zusammenhang mit der Tatsache, dass in der Prignitz auch der Wahlkreis von Rupprecht liegt, ist natürlich rein zufällig. Und mit Wahlkampf hat das nun rein gar nichts zu tun, weiß seine Pressestelle. Vielmehr tut er dort nur seine harte Pflicht. Die dort denken offenbar, unsereiner glaubt wirklich noch an den Weihnachtsmann.

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