Chiles mächtige Umweltmafia

Fischer und Mapuche protestieren gegen Abwasser-Pipeline in den Pazifik

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 2 Min.
Der chilenische Zellulose-Multi »Celulose Aurauco y Constitución« (CELCO) ist mit einer jährlichen Produktion von rund fünf Millionen Tonnen der weltweit drittgrößte Zelluloseproduzent. Zugleich sorgte der Konzern für eines der großen Umweltprobleme in Südchile.

Über eine halbe Million Tonnen Zellulose im Jahr spuckt die Zellulosefabrik aus, die nahe gelegene Ortschaft San José de la Mariquina versorgt ein angeschlossenes Biomasse-Kraftwerk mit Strom. Nicht weit vom qualmenden Industriekomplex strömt der breite Río Cruces vorbei, wenige Kilometer stromabwärts liegt die Regionalhauptstadt Valdivia. Im Mai 1960 zerstörte das stärkste je gemessene Erdbeben so gut wie alle Ortschaften der südchilenischen Region.

Doch das jüngste Unglück in Valdivia ist von Menschenhand gemacht. Im Jahr 2004 stampfte der Zellulose-Multi CELCO sein riesiges Werk aus dem Boden. Chile ist der fünftgrößte Zellulose-Exporteur der Welt. Vor Ort wurde den skeptischen Bewohnern, darunter viele Gemeinden der indigenen Mapuche-Lafkenche, dasselbe wie eh und je versprochen: Arbeit, Sozialversicherung und geregeltes Einkommen. Doch damals wie heute lebt rund ein Drittel der Menschen in Armut, das Gros der CELCO-Spezialisten kam aus dem Norden. Richtig misstrauisch gegenüber der Fabrik wurden Anwohner und Naturschützer, als im stromabwärts gelegenen Schutzgebiet »Carlos Anwandter« die ersten der nur in Südamerika heimischen Schwarzkopfschwäne starben. 2005 war die Art, deren Brutgebiet sich von der Mitte Chiles und dem Südosten Brasiliens bis zum südlichsten Zipfel Südamerikas erstreckt, in dem Schutzgebiet komplett verschwunden.

Schnell wurde klar: Für den Tod der über 5000 Tiere konnte nur CELCO verantwortlich sein, die ihre giftigen Abwässer ungeklärt in den Cruces-Fluss eingeleitet hatte. Autopsien hatten eine hohe Konzentration von Metallen ergeben. Im Juli 2007 wurden zudem tausende verweste Fische angetrieben, einer von vielen »Störfällen« von CELCO. Heute ist das Feuchtgebiet tot. Die Schäden für Umwelt, Fischer und Tourismusindustrie erreichten 86 Millionen Euro, allein 2007 sei der Tourismus um 50 Prozent eingebrochen, belegen unabhängige Studien. Aktuell läuft ein Prozess gegen das Unternehmen, das mit Imagekampagnen und gekauften Expertisen jede Verantwortung von sich weist. Im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung zahlte CELCO der Tourismus-Branche eine knappe Million Euro. Nun plant das Unternehmen eine Abwasser-Pipeline in die 40 Kilometer entfernte Pazifikbucht von Mehuín.

Auch wenn die »Katastrophe von Valdivia« in Chile erstmals Umweltverschmutzung in die Öffentlichkeit gebracht hat und zur Schaffung eines Umweltministeriums und von Überwachungsgremien führte, so hat die Zellulose-Wirtschaft doch weiter starke Freunde in der Politik. Chiles Ex-Präsident Eduardo Frei etwa wehrte im Senat die Vorwürfe gegen CELCO erfolgreich ab. Da es den Fischern der Mehuín-Bucht an einer starken Lobby fehlt, haben sie angesichts der drohenden Vernichtung ihrer Lebensgrundlagen Klage vor der »Interamerikanischen Menschrechtskommission« (CIDH) der »Organisation Amerikanischer Staaten« (OAS) eingereicht. Doch die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Chiles Umweltministerium hat schon 2010 grünes Licht für die Pipeline gegeben.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal