»Wo andere Risiko sehen, sehe ich Chancen«

ICH HAB'S EINFACH MAL PROBIERT: Wie Reiner Müller die Spielelandschaft in Deutschland veränderte

  • Udo Bartsch
  • Lesedauer: 3 Min.
S-VC - Das Kürzel der »Siedler von Catan« in seinem Autokennzeichen ist das einzige kleine Denkmal für sein Lebenswerk, das Reiner Müller (Foto: privat) sich gönnt. Der 66-jährige Stuttgarter, der neben den »Siedlern« auch »Risiko« auf dem deutschen Markt etabliert hat, prägte die gesamte Spielebranche mit seinen Ideen. Wann immer Neues angestoßen wurde: Er war dabei.
nd: Nach Buchdruckerlehre und Studium der Pressetechnik/Verlagswirtschaft landeten Sie 1974 als Jungspund beim Spielehersteller Parker. Das US-amerikanische Spiel »Risiko« stand damals zur Debatte. Und die Verlagsleitung wollte es nicht?
Müller: »Risiko« war in einem anderen Verlag gefloppt. Und ich als ganz Neuer habe gesagt: Das Spiel ist toll, wir sollten es machen! Mein Chef darauf: Wenn Sie's für richtig halten, dann machen Sie's.
»Wo andere Risiko sehen, sehe ich Chancen«

Was haben Sie an dem Spiel verändert?
Spiele wurden damals veröffentlicht, wie sie waren. Redaktionsarbeit, wie wir sie heute kennen, gab es nicht. Ich aber habe Spielregel und Cover neu gestaltet und die Länderkarten vierfarbig drucken lassen. Das war unglaublich teuer. Bei Misserfolg hätte mich das den Job kosten können!

»Risiko« wurde ein Riesenerfolg. Erstaunlicherweise wechselten Sie 1978 zum Vorwärts-Verlag der SPD. Und noch erstaunlicher: Dort etablierten Sie eine Spielezeitschrift.
Der »Vorwärts« sollte wirtschaftlich rentabel werden. Aber meine Pläne als Marketingleiter wurden nicht umgesetzt und so fing ich an, mich anderweitig zu beschäftigen. Auch um die Auslastung der Druckerei zu erhöhen, habe ich die »SpielBox« konzipiert.

Die Zeitschrift gibt es noch heute, und sie ist weltweit führend. Genauso wie die Messe »Spiel« in Essen, die ursprünglich als Spiele-Treffen für Ihre Leser gedacht war und jetzt 150 000 Besucher anzieht. Wie kam das?
Der englische »Games Day« ließ mich nicht ruhen. Ich träumte von einem ähnlichen Event in Deutschland. Wo andere Risiko sehen, sehe ich Chancen. 1983 war es dann soweit. Und es war super!

Eines Tages, da waren Sie schon im Beratergeschäft, stand ein junger Autor namens Klaus Teuber vor Ihnen, und er hatte ein Spiel mit Knetgummi erfunden.
Mir war völlig klar, das wird ein Spiel des Jahres! Aber der Verlag zögerte. Ich habe alles drangesetzt, dass ich das durchkriege.

»Barbarossa und die Rätselmeister« wurde 1988 tatsächlich Spiel des Jahres. Beim größten Erfolg von Klaus Teuber, »Die Siedler von Catan«, waren Sie ebenfalls beteiligt.
Das Regelkonzept stammt von mir. Mit einem einzigen Übersichtsblatt konnte die erste Partie starten. Die Idee fürs Coverbild kam mir, als ich an einem Plakat mit einer großen Sonne vor einem roten Hintergrund vorbeifuhr. Da wusste ich: Das ist es!

Was ist Ihr Erfolgsrezept, dass Sie als Macher im Hintergrund in der Spielebranche so tiefe Spuren hinterlassen konnten?
Ich wollte das alles gar nicht. Ich wollte immer nur Familie haben und so halbwegs ordentlich leben. Ich stelle mir das so vor: Jeder steht im Leben vor einem Pult mit vielen Knöpfen, und es kommt darauf an, welchen man runterdrückt. Und ich hab halt immer den Richtigen erwischt. Das ist Glück.

Aber nicht nur Glück.
Ich habe eine solide Ausbildung, die mir hilft, die Chance zu erkennen. Und wenn dann ein Spiel wie »Risiko« vor mir auf dem Tisch liegt, dann sage ich: Machen! Andere hätten da vielleicht abgewunken.

Gespräch: Udo Bartsch

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