Merkel auf Kondolenzbesuch

Massaker eines US-Soldaten überschattet Visite in Afghanistan

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 2 Min.
Nach dem Amoklauf eines US-Soldaten hat das Parlament in Kabul ein öffentliches Gerichtsverfahren gefordert.

So hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Blitzbesuch am Hindukusch wohl nicht gedacht. Kondolieren stand im Mittelpunkt des Montags. Vom Bundeswehr-Feldlager im nordafghanischen Masar-i-Scharif aus telefonierte sie mit Präsident Hamid Karsai und drückte ihr Beileid angesichts der »schrecklichen Tat des US-Soldaten« aus. Die hatte in der Nacht zum Sonntag 16 Zivilisten das Leben gekostet, darunter neun Kinder und drei Frauen. Die »New York Times« zitierte Dorfbewohner aus Alkozai im Unruhedistrikt Pandschwai im Landessüden, wonach ein schwer bewaffneter Soldat mit Nachtsichtgerät im Morgengrauen in drei Häuser eingedrungen sei, dort seine Opfer getötet und mehrere Leichen verbrannt habe. Er befindet sich jetzt in Gewahrsam der ISAF-Truppen. Andere Augenzeugen wollen mehrere Angreifer gesehen haben. Bei dem Täter handele es sich um einen 38-jährigen Feldwebel und Familienvater, seit vier Monaten im ersten Afghanistan-Einsatz. Angeblich habe er vor der Tat einen Nervenzusammenbruch erlitten. Bleibt die Frage, wie er seine extrem gesicherte Militärbasis verlassen konnte.

USA-Präsident Barack Obama hat eine schnelle Untersuchung zugesagt. Das Parlament in Kabul forderte nachdrücklich ein öffentliches Gerichtsverfahren und warnte: »Unsere Bevölkerung verliert angesichts der Ignoranz der ausländischen Truppen die Geduld.« Die Taliban versicherten den Hinterbliebenen, dass sie sich »an den Invasoren und brutalen Mördern für jeden einzelnen Märtyrer rächen« würden. Das Massaker ist für die NATO ein Desaster. Schon nach der Verbrennung von Koran-Ausgaben durch US-Soldaten gab es im ganzen Land tödliche Proteste und Vergeltungsaktionen. Dabei will Washington offenbar fünf hochrangige Taliban-Führer aus dem berüchtigten Militärgefängnis in Guantanamo entlassen. Sie sollen in das Wüstenemirat Katar überstellt werden, wo Gespräche mit Vertretern der Islamisten begonnen haben, um eine politische Lösung des Konfliktes zu finden. Der Westen will seine Kampftruppen bis 2014 aus Afghanistan abziehen.

Kanzlerin Merkel war ob der Ereignisse offenbar leicht verwirrt und ließ bei ihrer Ankunft in Afghanistan erst Zweifel an diesem Termin aufkommen, um ihn später um so kräftiger zu bestätigen. Der außenpolitische Sprecher der linken Bundestagsfraktion Wolfgang Gehrcke nannte das gestern »Durchhalteparolen statt politischer Vernunft«. Sie könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Afghanistan-Politik der Bundesregierung rundweg gescheitert sei. »Der Abzug der Bundeswehr ist der einzige Weg aus diesem Irrsinn.«

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