"Ich bin romantisch veranlagt"

Sönke Wortmann über die Ehe, Familienbilder und Klischees in Komödien

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 5 Min.
Mit dem „Bewegten Mann“ leitete Sönke Wortmann 1994 das deutsche Komödienwunder der 1990er ein, 2006 drehte der ehemalige Fußball-Profi während der WM „Deutschland – ein Sommermärchen“ und vor drei Jahren inszenierte er die Verfilmung von Donna W. Cross „Die Päpstin“. Jetzt legt der 52jährige die Komödie „Das Hochzeitsvideo“ nach, die die vielen Pannen in den letzten Tagen vor dem entscheidenden Ringetausch von Pia Schulz (Lisa Bitter) und Sebastian von Stieglitz (Marian Kindermann) einfängt.
nd: Herr Wortmann, Sie haben vor knapp zehn Jahren geheiratet. Wie oft sehen Sie sich Ihr Hochzeitsvideo an?
Wortmann: Leider konnte ich es noch nie sehen, weil es nicht fertig wurde. Eine Freundin von meiner Frau und mir hat auf unserer Hochzeit gedreht, die wir extra über Pfingsten gefeiert haben, damit viel Zeit bleibt und die Gäste nicht am kommenden Tag wieder arbeiten müssen. Der Nachteil wurde uns erst im Nachhinein bewusst. Da unsere Freundin beruflich stark eingespannt ist und so viel Filmmaterial vorliegt, dass Sichtung und Schnitt mehrere Tage dauern werden, hat sie es bis heute zeitlich nicht einrichten können, den Film zu beenden. Vielleicht schafft sie es ja zu unserem 10. Hochzeitstag, das wäre ein tolles Geschenk.

Und Sie selbst haben keine Lust, sich an den Schnitt zu setzen?
Da ich beruflich Filme drehe, will ich privat meine Ruhe haben. Ich besitze weder ein iPhone noch einen Fotoapparat oder eine Kamera. Ich will die Bilder in Erinnerung behalten, wie sie auf meiner inneren Festplatte gespeichert sind. Da bin ich vielleicht ein bisschen altmodisch, ich bin ja auch nicht bei Facebook angemeldet.

Wer dreht dann die Filme vom Aufwachsen Ihrer Kinder?
Meine Frau - sie ist stärker in ihr iPhone verliebt als in mich. Meine private Beobachtung entspricht wissenschaftlichen Untersuchungen. Bei Frauen wird durch das iPhone das Glückshormon Endorphin ausgeschüttet, das ähnliche Gefühle wie das Kribbeln im Bauch in den ersten Monaten des Verliebtseins auslöst. Am Gesichtsausdruck von Frauen ist das leicht ablesbar.

Warum haben Sie erst jenseits der 40 den Weg zum Traualtar gefunden?
Heiraten war für mich lange kein Thema, weil ich nicht die passende Frau gefunden hatte. Ich war auch selten zu Hochzeiten eingeladen. Entweder bin ich kein gern gesehener Gast, was ich nicht hoffen mag, oder in meinem Freundes- und Bekanntenkreis wurde nicht geheiratet. In meiner Generation war das ja egal, die einen haben sich das Ja-Wort gegeben, die anderen haben darauf verzichtet.

"Der schöne Schein": Gunnar Decker über "Das Hochzeitsvideo" von Sönke Wortmann

Und was hat Sie überzeugt?
Ich bin romantisch veranlagt, deshalb wollte ich diesen Tag unbedingt erleben. Und ich denke, dass man sich nicht so schnell wieder trennt, dass man bereit ist, Krisen gemeinsam zu bewältigen, und Kinder in einer funktionierenden Ehe am besten aufgehoben sind.

Also geht der Trend wieder zum Bund der Ehe?
Das glaube sich schon. Die jungen Leute können mit den Ressentiments der 68er gegenüber Familie und Ehe wenig anfangen. Diese Vorurteile haben sich überholt.

Entspricht dies einem neuen Familienbild?
Eine Ehe gilt heute nicht mehr als Gefängnis wie in den 1950ern und 1960ern, als Scheidungen gerade in ländlichen Gegenden noch einen Skandal auslösten. Heute heiraten die Menschen, weil es romantisch und schön ist, weil sie glauben, dass ist der Partner für immer. Und wenn es nicht klappt, kommen sie ohne soziale Nachteile wieder raus aus der Beziehung.

Vor allem die Männer nach dem neuen Unterhaltsrecht, das Frauen alle Lasten aufbürdet, wenn die Kinder älter als drei Jahre alt sind?
Die Frauen können dies mit einem Ehevertrag vermeiden. Meine Frau und ich haben auch einen geschlossen. Sie hat freiwillig ihre Arbeit aufgegeben, was ich gut finde, und widmet ihre Zeit ausschließlich der Erziehung unserer drei Kinder. Das ist laut unseres Vertrages genauso viel Wert wie meine Arbeit.

Nach mehr als zehn Jahren sind Sie zur Komödie zurückgekehrt. Haben Sie bewusst nach einem solchen Stoff gesucht?
Das hat sich zufällig ergeben. Nach dem Ende der Dreharbeiten zu „Die Päpstin" hatte ich Lust auf einen Film, der künstlerisch nicht so aufwändig ist. Das bot sich bei diesem Film an, dessen Szenen ohne den klassischen Schuss-Gegenschuss gedreht wurden. Dafür wurden die Szenen in einer Einstellung mit einer beweglichen Kamera aufgenommen.

Und das Genre Komödie war nicht ausschlaggebend?
Leider kann sich in Deutschland kein Regisseur unter zehn Angeboten das aussuchen, das ihm am besten gefällt. Es gibt auch nur wenige Film-Ideen, die mich wirklich begeistern. Das Genre ist dann bei der Wahl zweitrangig, obwohl es schon Spaß gemacht hat, das Genre Komödie wieder zu entdecken. Ausschlaggebend für die Entscheidung waren die Figuren und die Geschichte sowie das Drehbuch, dessen Handlungsstränge und Dialoge ich total witzig fand.

Und das dann auch kräftig mit Klischees spielt?
Das ist ja meine Lieblingsfrage. Seit 20 Jahren werde ich nicht müde zu erklären, dass Klischees zur Komödie gehören wie der Ball zum Fußball. Ohne Klischees könnte keine Komödie mit Erwartungen spielen. Wenn die Mutter der Braut, die dem Stereotyp der verbohrten Alt-68er entspricht, zum Beispiel nicht alle nerven würde, warum nichts in der Villa der zukünftigen Schwiegereltern ihrer Tochter an die Nazivergangenheit des Hauses erinnert, gäbe es meinen Lieblingswitz nicht, dass schon die IG Metall und die FDP in dem Gebäude zu Gast waren.

Warum haben Sie ausschließlich unbekannte Schauspieler besetzt, die bislang auf der Bühne reüssierten?
Ich entdecke gerne frische Gesichter, das entsprach zudem der Konzeption, dem Film eine gewisse Authentizität zu geben. Die wäre futsch, wenn ein bekanntes Gesicht auftaucht. Ich habe auch bewusst an den Theatern gesucht, weil ich auf einem gewissen Grundniveau aufbauen musste.

Freuen Sie sich jetzt auf die Hochzeiten Ihrer Kinder?
Daran habe ich bislang noch keinen Gedanken verschwendet, weil meine Kinder noch zu klein sind. In zehn Jahren werde ich sicher anders darüber denken.









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