Nutzer haben keine Wahl

Facebook stellt Datenschutzrichtlinien zur Abstimmung und kaum einer geht hin

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf Facebook sind derzeit 900 Millionen Nutzer aufgefordert, über neue Datenschutzrichtlinien abzustimmen - doch das ist gar nicht so einfach.

Das soziale Netzwerk Facebook ist das größte seiner Art - allerdings auch weithin berüchtigt als sehr freigiebig im Umgang mit Nutzerdaten. Um sein durch den verpatzten Börsengang zusätzlich angekratztes Image aufzupolieren, führt das Unternehmen nun scheinbar die Demokratie ein: Eine Abstimmung zu den kürzlich vorgestellten neuen Datenschutzbestimmungen soll zeigen, dass man die Meinung der inzwischen geschätzt 900 Millionen User weltweit respektiert.

Im Praxistest erweist sich das vermeintliche Mehr an Transparenz und Mitbestimmung aber als reiner Marketing-Schachzug: So müssen mindestens 30 Prozent der Nutzer - rund 270 Millionen Menschen - abstimmen, damit Facebook das Ergebnis umsetzt. Eine kaum zu überwindende Hürde, zumal viele User nur selten reinschauen und es zahlreiche inaktive Nutzerkonten gibt. 2009 hatte das Netzwerk schon einmal über neue Richtlinien abstimmen lassen: Es beteiligten sich 600 000 oder 0,3 Prozent der damals rund 200 Millionen User - 60 Millionen hätten es aber sein müssen.

Und diesmal sieht es nicht besser aus: Am Dienstagnachmittag (16 Uhr) hatten 145 265 Nutzer abgestimmt - etwa 0,0161 Prozent aller Facebook-Mitglieder. 81,35 Prozent der bisherigen Wähler votierten gegen die neuen und für die Beibehaltung der alten Regeln.

Eine echte Wahlmöglichkeit haben sie ohnehin nicht, kritisieren Datenschützer. Marit Hansen vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein sagte, die neuen Bestimmungen seien zwar besser verständlich als die bisherigen; an der weitgehenden Datenverwertung änderten sie jedoch wenig. So will Facebook Nutzerdaten wie Fotos, Statusmeldungen und sogar private Nachrichten demnächst noch länger speichern, nämlich »so lange, wie erforderlich ist, um sie Nutzern und Dienstleistern zur Verfügung zu stellen«.

Facebook, das die Abstimmung erst nach tausenden Einwänden gegen die neuen Regeln ankündigte, tut auch technisch alles, um eine hohe Beteiligung zu verhindern: Auf der Internetseite gibt es keine Hinweise auf die Wahl; der Weg führt nur über einen speziellen Link. Erst während der Abstimmung kann der Nutzer die Regeln einsehen, über die er entscheiden soll. »Erst wird groß die Nutzerbeteiligung versprochen, dann wird zur Sicherheit die Wahlurne versteckt«, kritisierte am Montag die Facebook-kritische Internetseite »Europa vs. Facebook«.

Die Abstimmung, die am vergangenen Freitag gestartet wurde, endet an diesem Freitag um 9 Uhr Ortszeit (18 Uhr MEZ) - das Ergebnis will Facebook am Wochenende bekanntgeben. »Europa vs. Facebook« rät den Nutzern, für die aktuellen Regelungen zu stimmen, weil die neuen die Nutzerrechte noch weiter beschnitten. Zudem sei ein »Nein« zu den neuen Bestimmungen die einzige Möglichkeit, Facebook noch zu deren Überarbeitung zu zwingen.

Ungeachtet aller datenschutzrechtlichen Bedenken kündigte Facebook am Montag an, einen speziellen, elternkontrollierten Zugang für Kinder zu erarbeiten. Momentan müssen Facebook-Mitglieder mindestens 13 Jahre alt sein; laut Angaben von Verbraucherschützern sind aber bereits 7,5 Millionen jüngere Kinder im Netzwerk aktiv, die sich mit einem falschen Alter angemeldet haben. Da Kinder eine wichtige Werbezielgruppe darstellen, hat Facebook großes Interesse an ihnen.

Direktlink zur Abstimmung: www.facebook.com/fbsitegovernance/app_130362963766777

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