Tolldreister Tanz auf dem Vulkan

Waffenlieferungen an Konfliktparteien verschärfen Lage in Syrien

  • Lesedauer: 3 Min.
Für den obersten UN-Friedenshüter tobt in Syrien ein Bürgerkrieg. Das Töten geht laut US-Regierung auch mit russischen Waffen weiter. Was den Friedensplan von Sondervermittler Annan angeht, geht Washington mittlerweile auf Distanz.

Beirut/Istanbul (dpa/nd). Der Konflikt in Syrien ist nach Angaben des obersten UN-Friedenshüters nach 15 Monaten zum Bürgerkrieg eskaliert. »Ich meine, dass das Ausmaß der Gewalt massiv zugenommen hat. So massiv, dass sich damit auch die Natur (der Kämpfe) verändert hat«, sagte UNO-Untergeneralsekretär Herve Ladsous in New York.

Laut »New York Times« werden beide Konfliktparteien von ihren Verbündeten mit schweren Waffen ausgerüstet. Der russische Außenminister Sergej Lawrow traf am Mittwoch zu Krisengesprächen in Teheran ein. Moskau und Teheran sind Verbündete der syrischen Regierung.

Den Vereinten Nationen lägen Berichte vor, nach denen das Regime nicht mehr nur mit Artillerie und Panzern gegen die eigene Bevölkerung vorgehe, sondern inzwischen auch mit Kampfhubschraubern, sagte Ladsous. US-Außenministerin Hillary Clinton warf der russischen Regierung vor, Syrien weitere Helikopter zu liefern, mit denen die Truppen Assads gegen die eigene Bevölkerung agieren könnten.

Washington sei besorgt über jüngste Informationen, »dass Angriffshubschrauber auf dem Weg von Russland nach Syrien sind«, so Clinton. »Das wird den Konflikt ziemlich dramatisch eskalieren.« Die neuen Waffenlieferungen stünden im Widerspruch zu Beteuerungen Moskaus, seine Militärexporte an Syrien könnten »nicht gegen Zivilisten eingesetzt werden«, erklärte Außenamtssprecherin Victoria Nuland. Helikopter sowjetischer oder russischer Herkunft würden vom syrischen Regime bereits gegen die Bevölkerung eingesetzt, sagte Nuland. Clinton habe aber nicht diese Hubschrauber gemeint. »Sie ist besorgt über Helikopter, die auf dem Weg sind.«

Die »New York Times« berichtete unter Berufung auf die syrische Opposition, mit finanzieller Unterstützung aus Saudi-Arabien und Katar seien aus der Türkei Panzerabwehrraketen an syrische Rebellen geliefert worden. Das türkische Militär habe diese demnach an die syrische Grenze gefahren, von wo aus sie in das Nachbarland geschmuggelt wurden. Die USA seien in das Vorgehen eingeweiht, zitierte das Blatt Vertreter des Syrischen Nationalrates. Für syrische Panzertruppen sei es nun schwerer, sich in Städten zu bewegen.

Nach Angaben von Oppositionellen kamen bei Kämpfen in ganz Syrien allein am Dienstag wieder mehr als 50 Menschen ums Leben, davon etwa 30 bei einem Artilleriebeschuss in der Provinz Deir as-Saur im Osten des Landes. Syrische Rebellen zogen sich nach eigenen Angaben aus der seit mehr als einer Woche heftig umkämpften Ortschaft Al-Haffa zurück. Eine größere Gruppe von Zivilisten, darunter auch Verletzte, habe sich mit den Kämpfern in der Nacht aus dem Ort in der Provinz Latakia abgesetzt, sagten Vertreter der syrischen Opposition aus dem Gebiet der Nachrichtenagentur dpa.

Regierungstruppen hatten den etwa 30 000 Einwohner zählenden Ort heftig beschossen und eingekreist. Dabei waren nach Angaben der Opposition auch Hubschrauber, Panzer und Raketen eingesetzt worden. »Wir haben uns zu einem taktischen Rückzug entschlossen, um Opfer unter den Zivilisten zu vermeiden«, sagte der syrische Rebellenführer Riad al-Asaad. Al-Haffa liegt knapp 50 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt im Hinterland der Hafenstadt Latakia. UN-Beobachter wurden nach eigenen Angaben daran gehindert, nach Al-Haffa zu fahren. Sie seien von Unbekannten mit Steinen und Stangen angegriffen worden, teilten die UN mit.

Die US-Regierung gibt dem Friedensplan von Kofi Annan nur noch vier Wochen Zeit für einen Erfolg. Zwar unterstützten die USA den Sechs-Punkte-Plan des Sondervermittlers voll, sagte Clinton in Washington. Aber Assads »Missachtung« des Friedensplans habe zu verstärkten internationalen Anstrengungen geführt, einen politischen Übergang auszuarbeiten für das, was auf Assad folge.

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