Galgenfrist für Madrid

Spanien bekommt 30 Milliarden Euro zur Bankenrettung und ein Jahr mehr Zeit, sein Defizit abzubauen

  • Ralf Streck, Madrid
  • Lesedauer: 3 Min.
Die 17 Finanzminister der Eurozone haben sich in der Nacht zum Dienstag auf Eckpunkte der spanischen Bankenrettung geeinigt, bevor sich die EU-Finanzminister gestern zur Beratung in Brüssel trafen.

Man hatte es am Montagabend in Brüssel eilig, einen Beschluss zu fassen, weil Spanien an den Finanzmärkten derzeit wieder erheblich unter Druck steht. Die Zinsen für zehnjährige spanische Anleihen waren am Montag fast auf ihren historischen Höchststand geklettert. Mit mehr als sieben Prozent lagen sie über der Marke, an der Griechenland, Irland und Portugal unter den Rettungsschirm gehen mussten. Die Lage für das viertgrößte Euroland wird immer ernster - mit einem begrenzten Rettungsantrag zur Bankenrettung könnte es daher nicht getan sein. Um Druck abzubauen, wurde beschlossen, dem Land noch im Juli aus dem temporären Rettungsfonds (EFSF) eine erste Rate von 30 Milliarden Euro auszuzahlen, um abstürzende Banken schnell stützen zu können. Im September soll der Gesamtbedarf ermittelt sein - insgesamt stehen bis zu 100 Milliarden zur Verfügung.

Definitiv ist jedoch die spanische Forderung vom Tisch, dass Banken ohne staatliche Haftung direkt refinanziert werden. Das wird erst möglich, wenn der dauerhafte Eurorettungsfonds ESM arbeitsfähig wird und eine zentrale Bankenaufsicht geschaffen worden ist. Das ist jedoch nicht mehr für 2012 angestrebt. Spanien wurde auch verweigert, mit der Rückzahlung der Kredite erst nach fünf Jahren zu beginnen, um den Haushalt nicht zusätzlich zu belasten. Madrid hatte deshalb Kreditlaufzeiten von über 15 Jahren verlangt, die ebenfalls abgelehnt wurden. Spanien musste auch seinen Widerstand gegen eine »Bad Bank« aufgeben, in die angeschlagene Banken und Sparkassen faule Kredite auslagern werden. Die Verluste dieser »Bad Bank« trägt, wie die von verstaatlichten Banken auch, der Steuerzahler.

Offen ist noch, zu welchem Zinssatz Spanien die Kredite erhält. Bisher wurde von drei bis vier Prozent gesprochen. Der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos sprach von »sehr günstigen Bedingungen« und legte nahe, dass es sogar weniger als drei Prozent werden könnten. Die Staaten der Eurogruppe können nun Beschlussverfahren in ihren Parlamenten einleiten. Auch der Bundestag muss laut Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) grünes Licht geben. Endgültig soll das Memorandum am 20. Juli verabschiedet werden.

Die Finanzminister kamen Spanien aber auch in einigen Punkten weit entgegen: So wird das Land ein weiteres Jahr Zeit für den Abbau des Haushaltsdefizits bekommen. Hatte es einst versprochen, sein Defizit bis Ende 2013 wieder unter die Stabilitätsmarke von drei Prozent zu drücken, setzte die konservative Regierung im Frühjahr durch, dass es 2012 statt 4,4 noch 5,3 Prozent betragen durfte. Nun darf Spanien in diesem Jahr noch 6,3 Prozent ausweisen; die Stabilitätsmarke soll erst Ende 2014 wieder eingehalten werden müssen. Spanien verpflichtet sich dafür zu weiteren Anstrengungen: Zum Defizitabbau wird die Mehrwertsteuer erhöht, das Arbeitslosengeld gesenkt und dessen Bezugsdauer verkürzt. Die Beamten sollen zudem länger arbeiten, im öffentlichen Dienst wird es weitere Entlassungen geben.

Im Rat der Europäischen Zentralbank wird Spanien künftig nicht mehr vertreten sein. Der ausscheidende José Manuel González-Páramo wird durch den Luxemburger Yves Mersch ersetzt. Das hatte dessen Landsmann Jean-Claude Juncker zur Bedingung für seinen nochmaligen Antritt als Eurogruppenchef gemacht. Juncker wird nun für ein knappes halbes Jahr weitermachen, in dieser Zeit soll eine dauerhafte Lösung gefunden werden. Der lange als sein möglicher Nachfolger gehandelte Schäuble war zuvor bei Frankreich auf Widerstand gestoßen. Bestimmt wurde von den Eurofinanzministern auch, dass der Deutsche Klaus Regling, derzeit Leiter des Rettungsschirms EFSF, auch dem zukünftigen Eurorettungsschirm ESM vorstehen soll.

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