Tage der Entscheidung für Griechenland

Troika in Athen eingetroffen, Barroso wird erwartet - und deutsche Politiker verschärfen den Druck

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 4 Min.
Dem Vernehmen nach hat die griechische Regierung neun der geforderten elfeinhalb Sparmilliarden bereits aufgetrieben - u.a. durch weitere radikale Renten- und Lohnkürzungen. Nun ist wird sogar darüber diskutiert, das Budget der Krankenkassen auf 1500 Euro pro Patient und Jahr zu beschränken. Doch deutschen Politikern reicht das alles noch lange nicht.

Unter extremem Druck bereitet sich die Athener Regierung auf die dieser Tage anstehenden neuen Verhandlungen mit den Abgesandten der Gläubiger aus EU, IWF und EZB vor. Während die beamteten Kontrolleure bereits am Dienstag in Athen eintrafen, werden die Chefs der Kontrollkommission erst am Donnerstag erwartet. Im Mittelpunkt der Gespräche mit der Regierungskoalition aus konservativer Nea Dimokratia, ex-sozialdemokratischer PASOK und sozialdemokratischer DIMAR stehen dabei die von der Gläubigertroika eingeforderten neuen Sparmaßnahmen in Höhe von 11,5 Milliarden Euro für die kommenden zwei Jahre. Darüber hinaus geht es um eine Prüfung, ob Griechenland die definierten Voraussetzungen für die Auszahlung der nächsten Kreditrate erfüllt. Dafür sind für Donnerstag Gespräche mit Finanzminister Giannis Stournaras geplant. Am Freitag steht dann eine Treffen mit Ministerpräsident Antonis Samaras auf der Tagesordnung.

Faktisches Ende der Krankenversicherung?

Im Wahlkampf hatte die einheimische »Regierungstroika« noch versprochen, die geforderten 11,5 Milliarden mit neuen Kürzungen der staatlichen Ausgaben einzubringen. Davon ist man inzwischen abgerückt. Bei den Gesprächen der Parteichefs Samaras (Nea Dimokratia), Venizelos (PASOK) und Kouvelis (DIMAR) werden deswegen noch im Wahlkampf kategorisch ausgeschlossene weitere Kürzungen von Löhnen und Renten diskutiert. Nach am Dienstag in der griechischen Presse verbreiteten Informationen habe man dabei bisher Maßnahmen in Höhe von neun der erforderlichen 11,5 Milliarden gefunden. Unter anderem sollen die Höchstgrenze für Renten von derzeit 2400 auf 2000 bis 2200 Euro gesenkt, Universitätsinstitute und Krankenhäuser geschlossen oder zusammengelegt und die Löhne der Angestellten in den teilweise in Staatsbesitz befindlichen Großunternehmen ein weiteres Mal gesenkt werden. Selbst eine Beschränkung der Haftung der Krankenkassen auf 1500 Euro im Jahr pro Versicherten ist in der Diskussion.

Darüber hinaus will sich die Troika erneut über die Fortschritte diverser bereits beschlossener Maßnahmen informieren. Darunter fallen vor allem die überfälligen Schließungen oder Zusammenlegungen zahlreicher staatlicher Einrichtungen, die bisher noch nur auf dem Papier stehen. Finanzminister Stournaras hat bereits angekündigt, noch in dieser Woche die Namen der ersten 20 zu schließenden Einrichtungen bekannt geben zu wollen.

»Das Ergebnis dieser Politik ist absehbar, sie wird zum vollständigen Entgleisen und dem Ausstieg Griechenlands aus dem Euro führen«, kritisiert die größte Oppositionspartei des Landes, die Linksallianz SYRIZA, die Pläne von Regierung und Gläubigern. Gleichzeitig warnt SYRIZA, angesichts eines »brennenden Europas« sei die sofortige Abkehr von der »neoliberalen Wirtschaftspolitik« und eine Hinwendung zu einem »neuen europäischen Plan« unabdingbar. Dafür müsse ein außerplanmäßiger EU-Gipfel angesetzt werden, so der Sprecher der Linksallianz, Panos Skourletis, am Dienstag. »Europa wird entweder das Europa der Völker oder in sehr kurzer Zeit zerfallen.«

Seitens der Gläubiger wird immer offener über die Option eines vereinten Europas ohne den überschuldeten Mittelmeerstaat nachgedacht. Der Gedanke, dass Griechenland aus dem Euro austrete, habe für ihn seinen Schrecken verloren, heizte der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) erst am Montag erneut die Debatte an. Bereits Ende vergangener Woche hatte der IWF signalisiert, sich eventuell aus dem Kreditprogramm für Griechenland zurückziehen zu wollen.

Markige Sprüche von Kauder und Döring

Deutsche Politiker legen jetzt nach: Es werde weder ein drittes Hilfspaket noch mehr Zeit für die Umsetzung von Reformen geben, sagte etwa CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder der »Bild«-Zeitung. man warte den Troika-Bericht ab, es könne aber »keine weiteren Zugeständnisse geben, weder in der Zeit noch in der Sache«. Scharfe Töne gibt es auch aus der FDP: Fraktionschef Rainer Brüderle sagte dem »Südkurier«, es könne »nicht angehen, dass Griechenland, nachdem es seine Verträge nicht erfüllt hat, jetzt noch einmal zwei Jahre Zeit fordert«. Denkbar seien allenfalls »einige Wochen Aufschub«. FDP-Generalsekretär Patrick Döring geht ebenfalls davon aus, dass es kein weiteres Hilfspaket geben wird. Dafür sehe er »jetzt keine Mehrheit im Bundestag«, sagte Döring der »Passauer Neuen Presse«. Eine mögliche Staatspleite hält Döring für beherrschbar.

Nun hat sich auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Donnerstag in Athen angekündigt. Sein Sprecher in Brüssel bemühte sich aber um die Darstellung, es handle sich bei dem Besuch nicht um eine Krisenmaßnahme, sondern um einen »regulären« Kontakt des Kommissionschefs.

Ohne die Auszahlung der nach Programm für August fälligen nächsten Kreditrate über insgesamt 31 Milliarden Euro aber wäre Griechenland nicht in der Lage, weiterhin seine Altschulden zu bedienen und staatliche Aufgaben wahr zu nehmen. Berechnungen zufolge wird die griechische Staatskasse bereits in der zweiten Augusthälfte vollständig geleert sein. Für die Auszahlung der dringendsten Gelder könnten dann nur noch die drei Milliarden Euro einer eigentlich zur Haushaltsstabilisierung geschaffenen staatlichen Rücklagenkasse ausgeliehen werden.

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