Sicherheitslücken

  • Helmut Scholz
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Europaabgeordnete der LINKEN ist Mitglied im Ausschuss für Internationalen Handel und stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss.
Der Europaabgeordnete der LINKEN ist Mitglied im Ausschuss für Internationalen Handel und stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss.

In wenigen Wochen ist es wieder so weit. Auf der internationalen Luft- und Raumfahrtmesse in Berlin-Schönefeld werden sich die zivilen - und militärischen! - Akteure und Hersteller der Branche ein Stelldichein geben. Einer der Schwerpunkte in diesem Jahr: die Entwicklung und der Einsatz »unbemannter Flugsysteme«. Mit diesen fliegenden Robotern lassen sich beispielsweise Verkehrsströme kontrollieren, sie können bei der Katastrophenabwehr, bei der Bekämpfung schwerer Kriminalität und beim Umweltschutz eingesetzt werden. Oder aber zur Grenzüberwachung, zur Erstellung von Bewegungsprofilen und zum militärischen Einsatz als Aufklärungs- und Kampfdrohnen. Letzteres scheint derzeit von größerer Bedeutung zu sein. Erst am Mittwoch wurde bekannt, dass das Bundesforschungsministerium der Rüstungsindustrie in den vergangenen fünf Jahren insgesamt 279 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat - und auch in den kommenden Jahren jeweils 60 Millionen Euro an die Konzerne fließen sollen. Unter anderem an den Rüstungsriesen EADS, der zur Zeit Drohnen entwickelt.

Solche Nachrichten dürften in diesen Tagen einen Herrn in Brüssel ganz besonders freuen: EU-Industriekommissar Antonio Tajani. Nichts weniger als einen »echten Binnenmarkt« für die Sicherheitstechnik soll nach dem Willen des rechtskonservativen italienischen Politikers in EU-Europa entstehen. Die Kommission sieht die Zukunft der Branche rosig. Im Jahrzehnt bis 2011 ist der Markt um fast das Zehnfache gewachsen und heute etwa 100 Milliarden Euro schwer; der EU-Anteil liege bei 36 Milliarden Euro. Etwa 180 000 Europäern bietet der Wirtschaftszweig schon Arbeitsplätze.

Um diesen Sektor zu stärken, will Tajani im kommenden Jahr dem Europäischen Parlament und den Regierungen der Mitgliedstaaten einen Vorschlag für eine EU-Rahmengesetzgebung vorlegen, wie er am Montag bekannt gab. Dass es dabei keineswegs »nur« um die Förderung einer Wirtschaftsbranche wie jeder anderen geht, macht das Kleingedruckte in seinem Plan deutlich. So ist die »bessere Nutzung von Synergien zwischen (ziviler) sicherheits- und verteidigungsbezogener Forschung« ein erklärtes Ziel - also die verstärkte Vermischung ziviler und militärischer Aspekte, die von der Linken seit Langem kritisiert wird. Und auch aus dem, wofür die Ergebnisse genutzt werden sollen, macht Tajani keinen Hehl: Als einer der Einsatzbereiche »mit den besten Erfolgsaussichten« wird die »Grenzsicherheit« genannt.

Ziel sei die Schaffung einer »EU-Marke mit hohem Wiedererkennungswert«. Dies sei vor allem deshalb wichtig, weil »die Zukunftsmärkte für Sicherheitstechnologien nicht in Europa, sondern in den aufstrebenden Ländern sein werden.« Der Begriff »Europa« könnte so künftig weltweit eher mit Überwachungstechnologie verbunden werden als mit dem Export von hohen Normen beim Schutz von Menschen- und Arbeitnehmerrechten.

Die EU ist bereits auf dem besten Weg dahin. Es besteht kein Zweifel daran, dass etwa das neue Grenzüberwachungssystem EUROSUR allen voran der immer schärferen Abschottung gegen unerwünschte Migranten und Flüchtlinge dient. Teure satellitengestützte Überwachung der Territorien soll dabei schon vor den Grenzen der EU zum Einsatz kommen. Auch eine nahezu lückenlose Überwachung der Bürger wird technisch möglich, gepaart mit einer Tendenz zur Privatisierung von bisher der Polizei vorbehaltenen Aufgaben.

In diesem Wirtschaftszweig will ich Wachstum weder sehen noch solches öffentlich gefördert wissen. Und Technologien zur Verletzung und Einschränkung von Menschen- und Bürgerrechten sollten wir Europäer ganz bestimmt nicht auch noch exportieren.

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