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Positive Hiobsbotschaft

Christoph Ruf über Regularien und Fallstricke im Fußball, die einen russischen Kaiser in Krefeld erzürnen

Vor gut einer Woche freuten sich die Anhänger des Krefelder Fußball-Clubs Uerdingen wie Bolle. Nicht nur, dass ihr Verein völlig verdientermaßen beide Aufstiegsspiele gegen den SV Waldhof Mannheim gewonnen hatte. Nein, auch die Negativschlagzeilen galten ausschließlich den Kurpfälzern, in deren Fankurve gut 50 Mann mit gigantischem Feuerwerk und Geböllere für einen Spielabbruch gesorgt hatten.

Mittlerweile sieht es allerdings ganz danach aus, als ob doch die Mannheimer Fans jubeln dürfen. Der KFC Uerdingen hat einen Formfehler begangen und seine Lizenzierungsunterlagen für die 3. Liga tatsächlich 90 Minuten zu spät eingereicht. Bei so etwas kennt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) keine Gnade. Zurecht nicht. Denn schließlich sind die Anforderungen klar. Und wo wollte man die Grenze ziehen, um Gnade vor Recht walten zu lassen? Bei neun Minuten, bei 90 Minuten? Bei einem ganzen Tag?

An diesem Montag will der DFB entscheiden. Die Verweigerung der Lizenz für Uerdingen würde allerdings zu der grotesken Situation führen, dass der Zweite der Regionalliga Südwest aufsteigen würde. Der Zweite wohlgemerkt, der beide Aufstiegsspiele verloren hat und in der Saison elf Punkte weniger geholt hatte als der 1. FC Saarbrücken, der in der Relegation zeitgleich an 1860 München gescheitert war. Besser könnte einem nicht vor Augen geführt werden, wie unsinnig die Viertliga-Aufstiegsregeln sind, mit denen aus fünf Regionalligen drei Aufsteiger ermittelt werden. Während es in der ersten Liga ein ausführliches Bonussystem gibt - sogar der Tabellensechste darf noch international spielen - steigt ein Meister aus der Regionalligen nicht automatisch auf.

Dieser Unsinn hätte - wären die beiden Spiele gegen Weiche Flensburg anders gelaufen - in dieser Spielzeit auch dazu führen können, dass Energie Cottbus weiter in der vierten Liga hätte bleiben müssen. Trotz sage und schreibe 31 Punkten Vorsprung auf den Zweiten der Regionalliga Nordost. Was man sich auf der Zunge zergehen lassen muss: Cottbus hätte zehn Spiele in Folge verlieren und der Zweite, Wacker Nordhausen, alle zehn gewinnen können - Cottbus wäre trotzdem Erster geblieben. Und wäre dennoch nicht aufgestiegen, wenn der Nordmeister aus Flensburg, der im Rückspiel tatsächlich ein Remis in Cottbus geholt hat, auch im Hinspiel ein klein wenig besser gespielt hätte.

90 Minuten, ein geglückter Schuss (oder eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters) hätten also ausgereicht, um eine ganze Saison zunichte zu machen. Versuchen Sie mal, das jemandem zu erklären, der selbst Fußball spielt. Wenn Sie es nicht schaffen, studieren Sie bitte ein paar Semester Jura und werden Sie Fußballfunktionär. Dann klappt es besser.

So ganz ohne Schadenfreude kann man es allerdings nicht kommentieren, dass es der KFC Uerdingen ist, der sich in den Fallstricken der Regularien verheddert hat. Schließlich wird der Verein seit kurzem von einem Investor geführt, der für sich in Anspruch nimmt, viel zielstrebiger, professioneller und rationaler zu arbeiten als all die Dussel, die bei der Konkurrenz vor sich hinwerkeln.

Bevor Michail Ponomarev sich für die Krefelder interessierte, hatte er als Gesellschafter des englischen Erstligisten AFC Bournemouth und des Eishockeyvereins Düsseldorfer EG fungiert. Dass er sich vor dem Einstieg in Uerdingen bei vielen anderen Sportvereinen in der Region umgesehen hatte, dementiert er nicht. Ponomarev hat als Kind nicht in der Bettwäsche irgendeines »seiner« Vereine geschlafen - es geht ihm um ein lohnendes Investment. Deshalb hat er dem KFC schon in der abgelaufenen Saison dem Vernehmen nach einen Sechs-Millionen-Etat verpasst. Das ist mindestens drei Mal so viel wie die meisten Konkurrenten zur Verfügung haben. Seine Hoffnung: das Geld doppelt und dreifach zurückzubekommen, wenn der KFC in der zweiten Liga gelandet ist. Mindestens.

Nun aber bockt der DFB und der Russe Ponomarev müsste den KFC ein weiteres Jahr in der unattraktiven vierten Liga finanzieren. Dass er genau das nicht tun will, hat er bereits durchblicken lassen. »Für mich steht fest, dass wir nur in der 3. Liga mit mir spielen. Wenn der DFB (...) wirklich beschließt, uns (...) die Lizenz nicht zu geben, dann sehe ich nicht, wie ich mein Engagement beim KFC Uerdingen aufrecht erhalten kann.«

Wenn der Kaiser seinen Willen nicht bekommt, schmeißt er einfach hin. Mittelfristig gesehen könnte die vermeintliche Hiobsbotschaft für den KFC Uerdingen also eine ganz prima Nachricht sein.

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