Atomfabrik ohne Daseinsberechtigung

Die Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben ist eigentlich zu nichts zu gebrauchen

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer von den Atomanlagen in Gorleben redet, meint meist die beiden Zwischenlager - eines für Castor-Behälter mit hoch radioaktivem Müll, das andere für schwach- und mittelaktive Abfälle - oder das Erkundungsbergwerk für das Endlager. Weitgehend unbeachtet wurde im Gorlebener Wald vor Jahrzehnten aber noch eine weitere Fabrik hochgezogen: Die Pilotkonditionierungsanlage (PKA). Das Bauwerk könnte, ähnlich wie der Schnelle Brüter in Kalkar oder der Hochtemperaturreaktor in Hamm, zu einem weiteren Mahnmal gescheiterter Atompolitik werden.

Im Frühjahr 1990 war der Spatenstich für die PKA erfolgt, umgerechnet rund 400 Millionen Euro kostete der Bau. Zehn Jahre später erteilte das niedersächsische Umweltministerium die Betriebsgenehmigung. In der Fabrik sollten probeweise abgebrannte Brennstäbe aus den großen und schweren Castoren in kleinere Behälter umverpackt, also für eine direkte Endlagerung «konditioniert» werden. Die PKA als Versuchs- und Erprobungsanlage zur Herstellung «endlagerfähiger Gebinde» - so beschrieb die bis vor Kurzem für die Anlage verantwortliche Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), damals den Nutzungszweck.

Zwischenzeitlich hat sich dieser Arbeitsauftrag erledigt. Er ergibt nämlich nur Sinn, wenn in Gorleben gleichzeitig das zentrale Endlager für Atommüll eingerichtet wird. Von dieser Festlegung hat die Bundesregierung offiziell Abstand genommen. Das zuletzt 2017 novellierte Standortauswahlgesetz sieht ein völlig neues Suchverfahren auf einer «weißen Landkarte» vor, in dem weder das Wirtsgestein noch der Standort feststehen. Da wo Gorleben liegt, hat die Landkarte allerdings schon einen deutlichen Hinweis, denn der dortige Salzstock wurde als einziger Ort bereits ausführlich untersucht. Umweltschützer aus der Region sagen sogar, dass dort unter dem Deckmantel der Erkundung bereits ein Endlager weitgehend fertig gebaut wurde.

Für die PKA bedurfte es also einer neuen Daseinsberechtigung. Und so erklärten Politik und Betreiber die Fabrik als Service- und Reparaturstation für defekte Castor-Behälter aus dem benachbarten Zwischenlager für unverzichtbar. Diese Beschreibung fand auch Eingang in die Betriebsgenehmigung für das Lager. Die Atomgegner brachte das auf die Palme: «Wenn die Behälter unsicher sind, dürfen sie gar nicht benutzt werden», erboste sich schon vor Jahren die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Selbst wenn man die Notwendigkeit einer Reparatureinrichtung unterstelle, müssten aus denselben Erwägungen auch an anderen Zwischenlagern für hoch radioaktiven Müll vergleichbare Anlagen gebaut werden.

Gleichzeitig machte die BI auf das ihres Erachtens erhebliche Gefahrenpotenzial der Anlage aufmerksam. Über den 60 Meter hohen Schornstein und eine spätere Pipeline zur Elbe könnten größere Mengen Radioaktivität in die Umwelt gelangen.

So weit kam es allerdings nicht. Die PKA nahm nie den sogenannten heißen«Betrieb auf, offiziell aufgegeben wurde das Reparaturkonzept aber nicht. Ein Konditionierungsbetrieb in der PKA sei zwar nicht mehr vorgesehen, sagt auf Anfrage Tobias Schmidt von der bundeseigenen Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) - sie übernahm die PKA vor einem Jahr im Zuge der Neuordnung der Verantwortlichkeiten in der Atommüllpolitik. Für eine mögliche Behälterreparatur sei die PKA aber »weiterhin im Stand-by-Betrieb«.

Gleichzeitig, so Schmidt, prüfe die BGZ Alternativen für die Wartung und Inspektion der Gorlebener Castoren. Ein Indiz, dass der Betreiber die kostspielige Anlage möglichst bald loswerden beziehungsweise stilllegen möchte. Denn alleine der »Stand-by-Betrieb« der PKA verursacht jedes Jahr Kosten in Höhe von fünf Millionen Euro. Die Bürgerinitiative verweist zudem darauf, dass die Technik der vor fast 30 Jahren gebauten Fabrik inzwischen völlig veraltet ist. Die PKA, sagt ein Sprecher der Initiative, »hat sich erledigt«.

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