Durch die Kaffeeküche zur Gruft

Hohenzollerngruft des Berliner Doms wird umgebaut - entsteht auch die Denkmalkirche neu?

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Berliner Dom, dessen Kuppel 98 Meter hoch zwischen Museumsinsel und wiedererstehendem Stadtschloss aufragt, gehört zu den markantesten Bauwerken in der historischen Mitte. Das im Mai 1944 durch Bomben schwer beschädigte Gotteshaus war von 1975 bis 1993 wiederhergestellt worden. Schließlich wurde 1999 auch die Gruft des Doms der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Einst ausschließlich als Familien-Grablege des Hauses Hohenzollern angelegt, beherbergt sie rund 100 Särge von bedeutenden Persönlichkeiten aus fünf Jahrhunderten deutscher Geschichte. Doch der Touristenansturm überfordert die Hohenzollerngruft in ihrer heutigen Form.

Abhilfe sollen eine umfassende Sanierung und bauliche Umgestaltung schaffen. Worum es dabei geht, erläuterte Domsprecherin Svenja Pelzel am Donnerstag bei einem Rundgang durch die »Unterwelten« des majestätischen Sakralbaus und beim sonst verborgenen Blick in Technikräume und enge Versorgungsschächte. Insgesamt 17,3 Millionen Euro seien bislang für das Vorhaben veranschlagt. »Insgesamt rund 90 Prozent werden vom Bund und vom Land Berlin finanziert«, sagt sie. Das stellt Fördermittel aus der Gemeinschaftsaufgabe »Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur« (GRW) bereit, vom Bund kommen Haushaltsmittel in Höhe von 8,65 Millionen Euro. Auch die 1700 Mitglieder zählende Domgemeinde als Eigentümerin muss folglich 1,7 Millionen Euro aufbringen.

Als »Projektleiterin Hohenzol᠆lerngruft« weiß Svenja Pelzel um den Stellenwert des Vorhabens. Beim Rundgang wird schnell manches Provisorium sichtbar, das man Ende der 1990er Jahre auch aus Geldmangel und unter Zeitdruck in Kauf genommen hatte. Durch eine muffige Kaffeeküche im Nebengelass werden enge, staubige Zugänge zum Gewirr der Wasser-, Abwasser- und Energieleitungen sichtbar, die derzeit oberhalb der Gruft verlaufen. Der stattliche historische Treppenaufgang, der die einzelnen Stockwerke des Doms verbindet, mündet in einen recht schmalen Zugang zum Untergeschoss und in einen ernüchternden Vorraum. Von dort aus erhalten derzeit gleichberechtigt Bedürftige den Zutritt zu den WC-Kabinen, Servicekräfte zu einem Technikraum oder halt Besucher zur Gruft mit den Särgen, in denen unter anderem der Große Kurfürst, König Friedrich I., seine zweite Frau Königin Sophie-Charlotte sowie Königin Elisabeth Christine, die Gemahlin von Friedrich dem Großen, bestattet sind.

»Die Hohenzollerngruft ist eine Grabanlage von nationaler Bedeutung«, sagt Pelzel. Doch der gegenwärtige Zugang, der zudem nicht wirklich barrierefrei sei, der bauliche Zustand und die technische Ausstattung, aber auch die Art und Weise der Präsentation seien dieser Bedeutung nicht angemessen. »Im Prinzip haben wir es hier mit einem Friedhof zu tun, denn in den Särgen, die in der Gruft stehen, ruhen tatsächlich die Gebeine der Verstorbenen«, so Pelzel.

Bei dem umfangreichen Bauvorhaben, das 2020 beginnt und bis 2023 abgeschlossen sein soll, müssen im Untergeschoss Treppen und Wände eingerissen werden, um Platz zu schaffen. Die Toiletten werden ebenso verschwinden wie die diversen Verschläge. Der Treppenzugang soll in voller Breite bis ins Untergeschoss geführt werden. Um Barrierefreiheit zu schaffen, muss eine Liftanlage eingebaut werden, die ihren Namen auch verdient. Eine moderne Klimaanlage soll nebst geeigneten räumlichen Umbauten die wertvollen Särge schützen. »Wir wollen die Hohenzollern- gruft endlich zu einem würdenvollen Ort der Geschichte und der Totenruhe umgestalten«, so die Projektleiterin. Ein neues Lichtkonzept und die Farbgebung nach historischem Vorbild sollen die schönen Kreuzgewölbe und Nischen besser sichtbar machen, die Särge stilvoll präsentieren und so den derzeitigen »Parkhaus-Charakter« der Gruft vergessen machen.

Am Eingang zur Gruft soll ein Raum entstehen, der Informationen über die Grablege bietet. »Zugleich werden hier die Besucher emotional auf den Eintritt in die Grabanlage eingestimmt. Und sie werden ›heruntergekühlt‹, was vor allem im Sommer gut für das Klima ist«, so Pelzel. Das Klima ist ein Riesenproblem. Übers Jahr finden insgesamt 130 000 Menschen in der größten evangelischen Kirche Deutschlands zum Gebet zusammen, 80 000 erleben bei Konzerten ihre tolle Akustik. Und 700 000 Besucher bringen auf ihrem Rundgang durch Predigt-, Tauf- und Traukirche, Museum und Kuppel am Ende Feuchtigkeit und Wärme mit sich in die Hohenzollerngruft. Täglich sind Restauratoren am Werk, um die Auswirkungen - Schimmelbefall und Mottenfraß - zu bekämpfen.

Der in der DDR umstrittene Wiederaufbau des Doms begann 1975, finanziert von der evangelischen Kirche im Westen. Der Preis dafür war der Abriss der Denkmalskirche an der Nordseite, in der die Hohenzollern als Machtdemonstration Prunksärge präsentierten. Heute fristen die ebenfalls von Andreas Schlüter für König Friedrich I. und dessen Frau Sophie Charlotte geschaffenen Särge in der Predigtkirche des Doms ihr Dasein. Die Lücke, die die Denkmalskirche im historischen Areal hinterließ, ist bisher Stellplatz für Autos und Müllkübel.

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