Nie mehr unsichtbar

Zum Start der neuen Saison kämpfen NFL-Profis um ihr Recht auf friedlichen Protest

Donald John Trump. Ja, dieser Name dürfte in nächster Zeit auch wieder häufiger auf den Sportseiten zu lesen sein, denn die National Football League (NFL) startet an diesem Donnerstag mit der Partie der Atlanta Falcons gegen den Meister Philadelphia Eagles ihre 99. Saison. Die Kontroverse der vergangenen zwei Spielzeiten rund um während der Nationalhymne protestierende Spieler ist immer noch in vollem Gange; weil das Problem, gegen das die zumeist schwarzen Spieler protestieren noch längst nicht gelöst ist - und weil US-Präsident Trump die Debatte immer wieder für seine Zwecke befeuert.

Kurz vor Beginn der 2016er Saison hatte San Franciscos Quarterback Colin Kaepernick die Aktion initiiert, um gegen die ausufernde Gewalt von Polizisten gegen Schwarze in den USA zu demonstrieren. »Für mich ist das wichtiger als Football. Es wäre egoistisch wegzuschauen. Leichen liegen auf den Straßen, doch ihre Mörder bekommen noch bezahlten Urlaub dafür«, hatte er damals seinen Protest begründet.

Vor allem weiße Amerikaner sehen in der Form jedoch einen Affront gegen ihr Land und dessen Soldaten. Sie verbrannten Kaepernicks Trikots und forderten seinen Ausschluss aus der Liga. Die 49ers hielten jedoch an ihm fest, bis Kaepernick im Frühjahr 2017 aus seinem Vertrag ausstieg. Er wurde übrigens nicht entlassen, eine Falschmeldung, die Rechte und Linke in den USA aber gern glaubten, weil die einen die 49ers dafür feiern, die anderen sie anprangern durften.

Seither ist Kaepernick bei keinem Klub mehr untergekommen. Seine Anhänger protestierten jüngst vor dem Hauptsitz der NFL in New York, und Kaepernick verklagte die Liga. Sie werfen den Klubbossen vor, sich unerlaubt abgesprochen zu haben, den »Delinquenten« nicht mehr anzustellen, um weitere Störungen zu verhindern. Ein Schlichter lehnte vor wenigen Tagen den NFL-Antrag ab, die Klage abzuweisen. Beobachter sehen darin einen Hinweis, dass Kaepernick den Fall gewinnen könnte.

Wie unsinnig ein Ausschluss ist, hat die vergangene Saison gezeigt, in der sich viele Spieler mit Kaepernick solidarisierten und ebenfalls knieten. Dabei ging es nicht mehr nur noch um Polizeibrutalität, sondern auch um das Recht auf freie Meinungsäußerung. Konservative Kräfte, allen voran Trump, forderten die Bestrafung demonstrierender Spieler. »Die NFL-Eigner sollten sagen: Schafft den Hurensohn vom Feld. Er ist entlassen!«, sagte Trump in einer Rede vor knapp einem Jahr. Die NFL führte aus Angst vor weiter fallenden Einschaltquoten nun die Regel ein, dass jeder beim Abspielen der Hymne stehen müsse. Wer dies nicht wolle, müsse in den Katakomben bleiben - also unsichtbar.

NFL-Vizepräsident Jocelyn Moore sagte jüngst, dass »die Probleme im Justizsystem, die Colin und andere Athleten aufgerufen haben, unsere Aufmerksamkeit und Handeln verdienen«. Dabei wäre es ohne das Knien jedoch nie zu der Aufmerksamkeit gekommen. Die Spieler wollen sich das Recht auf friedlichen Protest jedenfalls nicht verbieten lassen. Nach einer Beschwerde ihrer Gewerkschaft wurde die Regelung erst mal ausgesetzt. Trump geht sie ohnehin nicht weit genug, wohl wissend, dass er mit jedem Tweet viele seiner rassistischen Anhänger bei Laune hält. Sie sei »dumm« und »bringe nichts«, schrieb er. Letzteres dürfte sogar stimmen.

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Für die letzte Wendung sorgte diese Woche Sportartikelhersteller Nike. Er machte Kaepernick zu einem Gesicht seiner neuen Werbekampagne. Auf dem Bild steht: »Glaube an etwas. Selbst wenn es bedeutet, alles dafür zu opfern«. Trump bezeichnete dies als eine »furchtbare Botschaft«. Und seine Anhänger verbrennen statt Kaepernick-Shirts nun Nike-Schuhe.

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