Die Justiz und die DDR

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 2 Min.

Im Hauptausschuss des Landtags übte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel am Mittwoch scharfe Kritik an den Gerichten. Ihm gefallen nicht die Urteile zu Entschädigung und Rehabilitierung von Menschen, die aufgrund ihrer Erlebnisse und Lebensumstände zu DDR-Zeiten materielle Unterstützung beantragen. Für Vogel ist es eine Frage, »inwieweit und in welchem Ausmaß die Gerichte willens sind, die Problemlage zu erörtern«. Er klagte vor allem das Berliner Kammergericht an und warf ihm vor, die Situation in DDR-Spezialheimen »völlig zu ignorieren«. Davon abweichende Auffassungen gestand er den Gerichten in Sachsen-Anhalt und Brandenburg zu. Vogel schilderte den Fall eines einstigen Heimbewohners, der erst vor dem Bundesverfassungsgericht seine Anerkennung als Opfer erkämpft hatte. Doch eine Berufsunfähigkeit wegen seiner Zeit im Heim sei ihm auch dort nicht zugestanden worden, so dass »immer noch« Gerichtsverfahren anhängig seien. »Wie kommen wir an die Gerichte und Staatsanwaltschaften heran?« Das fragte Vogel in die Runde. Ziel müsse es sein, dass Gerichte in stärkerem Maße Umstände von Einweisungen in die Spezialheime aufklären.

An die Stasi-Landesbeauftragte Maria Nooke richtete Vogel die Frage, ob sie nicht mehr Informationsveranstaltungen für Juristen anbieten könne. Nooke beklagte, dass derartige Angebote »sehr selten« in Anspruch genommen werden. Seit 2017 widme sich ihre Behörde verstärkt der Beratung von Menschen, die vor 1990 in die Psychiatrie oder in ein Heim eingewiesen worden sind. Aus der Aktenlage zu rekonstruieren, dass Menschen dabei Unrecht erlitten haben, sei schwierig.

Nooke hatte zuvor im Ausschuss ihren Tätigkeitsbericht für die vergangenen zwei Jahre vorgestellt. Sie beteuerte, es gebe für die Stasi-Unterlagen nach wie vor großen Bedarf. Inzwischen seien es Kinder oder Enkel von oft schon Verstorbenen, die wissen wollen, was sich damals zugetragen habe. Nooke sprach von weit über 4000 Kontaktaufnahmen, 1780 Bürger wandten sich demnach erstmals an die Stasi-Landesbeauftragte und ihre Mitarbeiter. 800 seien über einen längeren Zeitraum hinweg beraten worden.

Der brandenburgische Härtefallfonds werde möglicherweise in anderen ostdeutschen Ländern bald auch aufgelegt, informierte Nooke. Leider stoße man oft auf das Problem, dass die Begünstigten keine Belege für etwaige Auto- oder Einrichtungskäufe vorlegen können, so dass Geld zurückgefordert werden müsse. »Wir sind an Verwaltungsvorschriften gebunden.«

Von den rund 75 000 einstigen DDR-Heimkindern, die in Brandenburg leben, haben nur etwa 4000 einen Antrag auf Entschädigung gestellt und 3561 bekamen eine Unterstützung zugesprochen. Manches ehemalige Heimkind beantragte aus Prinzip keine Unterstützung, weil es seinen Erziehern von damals bis heute dankbar ist.

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