Dreischichtbetrieb in den Labors

In der Coronakrise wird in Deutschland mehr getestet, doch es droht keine Überlastung

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 4 Min.

Wird zu viel getestet oder zu wenig? Die Frage beschäftigt viele, denn das Testergebnis zur Auffindung des neuartigen Coronavirus Sars-Cov-2 entscheidet auch über die Frage: Quarantäne oder nicht. In der Summe bilden die Tests den Kompass für den Umgang der Politik mit der gegenwärtigen Pandemie.

Auf jeden Fall wird immer mehr getestet. Der Interessenverband der akkreditierten medizinischen Labore, kurz ALM, gibt Entwarnung, was eine bisweilen an die Wand gemalte Überlastung betrifft. Kapazitäten seien flächendeckend vorhanden. Laut dem Berufsverband beteiligen sich mittlerweile 97 Mitgliedslabore an der Testung auf Sars-Cov-2. Seit Anfang März haben sie rund 800 000 Tests erbracht. Demnach liege Deutschland international auf dem zweiten Platz hinter den USA mit 920 000 Tests im gleichen Zeitraum und weit vor Italien (437 000).

Von Woche zu Woche gibt es laut ALM steigende Zahlen. So seien in der 13. Kalenderwoche (23.-29. März) rund 314 000 Tests durchgeführt worden und elf Labore neu hinzugekommen. In der laufenden Woche liegt die Kapazität mit rund 93 000 Tests pro Tag auf einem neuen Höchststand. Bilanz der vergangenen Woche: 28 000 Mal wurde positiv getestet, was einer Quote von 8,9 Prozent entspricht. Rechnet man die Kalenderwochen 10 bis 13 zusammen, gab es 52 000 positive Tests, das entspricht 7,2 Prozent. Die ALM-Daten, die in die Berechnungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) einfließen, umfassen den größten Teil der Sars-Cov-2-Labordiagnostik in Deutschland; das Bild sei daher repräsentativ. Die 200 ALM-Mitglieder stellen rund 80 Prozent der gesamten deutschen Laborkapazitäten.

Der Verband schließt nicht aus, dass es im weiteren Verlauf der Pandemie zu gelegentlichen Engpässen kommen könnte. Weltweit gebe es nur fünf oder sechs größere Lieferanten für die benötigten Materialien. Zudem sei die Zahl der durchführbaren Tests limitiert. »Unsere Fachkräfte im Labor arbeiten momentan schon im Dreischichtbetrieb und sie haben mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen wie wir alle - geschlossenen Schulen und Kitas«, betont ALM-Vorstand Evangelos Kotsopoulos.

Auch der Berufsverband Deutscher Laborärzte weist darauf hin, dass es momentan nicht möglich sei, die gesamte Bevölkerung zu testen. Lieferzeiten für zusätzliche PCR-Geräte seien extrem lang. Die vorhandenen Kapazitäten sollten daher nicht durch nichtindizierte Tests blockiert werden, mahnt ALM. In dieser Hinsicht sei die Disziplin der Ärzte gefragt, die den Abstrich machen. Die Entscheidung solle strikt nach den RKI-Empfehlungen erfolgen. Danach sind nur Menschen mit Symptomen zu testen, die in den letzten 14 Tagen Kontakt mit einem bereits Infizierten hatten oder in diesem Zeitraum in einem Risikogebiet (aktuell bestimmte Regionen in China, Iran, Italien, Südkorea) waren. Umsetzen müssen das die örtlichen Gesundheitsämter gemeinsam mit Haus- und Fachärzten. Das gelingt laut dem Interessenverband noch nicht überall reibungslos. Testende Stellen bräuchten wiederum ausreichend Schutzkleidung.

Trotz der Coronavirus-Epidemie sehen die Labors derzeit keine Einschränkungen bei »normalen« Tests, etwa dem Blutbild oder Gentests. Diese würden durch andere Abteilungen, anderes Personal und mit anderen Geräten durchgeführt. Ohnehin würden momentan weniger dieser Tests angefordert, da viele Arztpraxen nur zwingend notwendige Behandlungen vornehmen. Teilweise verzeichnen die Laboratorien hier Einbrüche von bis zu 50 Prozent.

PCR-Schnelltests seien momentan noch keine echte Alternative zum herkömmlichen Verfahren, meint ALM-Vorstand Jan Kramer. Da die einzelnen Geräte bis zu 30 000 Euro kosteten und nur 10 bis 100 Tests pro Tag schafften, mache der Einsatz lediglich in akuten Einzelfällen Sinn. Zudem fehle teilweise die Zulassung. Auch Antikörper-Schnelltests hält Kramer für wenig erfolgversprechend, da diese »auf keinen Fall sicher« seien und derzeit keine Immunität voraussagen könnten. Der Verband wolle sie in Zusammenarbeit mit Herstellern und Forschungseinrichtungen weiterentwickeln. In vielleicht 8 bis 12 Wochen könne dies gelingen.

Mit Antigentests von Schleim aus Rachen und Nase, die wie Schwangerschaftstests nach wenigen Minuten anschlagen, rechnet der Experte in frühestens drei bis vier Monaten. Da die Tests günstig und leicht herzustellen sind, könnten sie auch in medizinischen Einrichtungen für das Personal benutzt werden. Allerdings müssten sie in kurzen Abständen wiederholt werden, da ein negativer Befund nur eine Momentaufnahme darstelle.

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