Werbung

Jeden Mittwoch Schnitzeltag

Neue Alben: die Songwriter-Band La Magnetophone und das Piano-Trio GoGo Penguin

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

Endlich mal eine Musik, bei der die Texte nicht sofort den Eindruck erwecken, sie seien dem Poesiealbum eines Spätpubertierenden entnommen oder mühevoll aus dem Deutschen ins Dirkvonlowtzowsche übersetzt worden: »Edeka hat zugemacht und morgen ist Gelber Sack / In der letzten Kneipe am Platz ist jeden Mittwoch Schnitzeltag / Dass der Wirt das noch macht. Genau wie der Arzt, der fünfte in ’nem Jahr / Der Metzger ist auch weg, ich hab’ gehört, er hat Hartz IV«. Mal ein paar Zeilen Realität im Pop, mal was anderes. Auch früher hat die Band Le Magnetophone schon ansehnliche Verse gedichtet: »Das hat immer so viel Vibe und immer schön viel Stil / Wenn dein Müsli so heißt wie dein Lebensgefühl.«

In dem eingangs zitierten Song (»Dorf im Herbst«) geht es um die zwischen totaler Tristesse und melancholischer Heimeligkeit schwankende Stimmung, wie man sie aus dem deutschen Dorfleben kennt. Die siebenköpfige Singer-/Songwriter-Band stammt aus dem »Brandenburg des Westens« (Le Magnetophone), dem Saarland. »Heimatstadt: Mandelbachtal«, heißt es auf der Facebookseite der Gruppe. Klar: Sitzt man dort fest, entwickelt man mit der Zeit logischerweise eine gewisse Abgestumpftheit. Oder man beginnt eben, Musik zu schreiben und auf der Akustikgitarre herumzuspielen, quasi als Selbsttherapie gegen die mit den Jahren ansteigende Verzweiflung.

Wie der Titel des Albums (»Qualitätsmanagement«) andeutet, geht es darauf außerdem um den unausgesetzten Zwang zur Selbstoptimierung, um Gentrifizierung und Entsolidarisierung, um Karriere, Work-Life-Balance und Zukunftsplanung, um die Regression des Menschen zum Kinderversorgungsapparat, um jene Form der gesellschaftlichen Anpassung also, die das Älterwerden mit sich bringt, kurz: ums ganz normale Zum-Arschloch-Werden. »Wir haben schon fünf Kitas angeschaut und ungefähr acht Schulen / Sie macht 2034 Abi und danach ihr Studium.« Trostlosigkeit, gemalt in bunten Herbstfarben.

Was die musikalische Form angeht, verbleibt man im Konservativen: fluffig-bittersüße Folksongs, freundlicher Lagerfeuer-Akustikgitarrensound. Und wenn man mitten im Schubidu-Sound eingemummelt ist, überrascht einen auch mal ein Track mit Downtempo-HipHop-Beats.

Doch nun weg vom trostlosen Saarland, auf ins trostlose Manchester: Von dort kamen Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre die besten und schlechtestgelaunten britischen Bands: Joy Division, The Fall, The Smiths. Deprimierte Männer mit noch deprimierenderen Frisuren sangen von Verfall, Niedergang und schlechter Laune. Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute kommt aus der sauber durchgentrifizierten Stadt die schönste Pausenmusik der Gegenwart, und zwar von dem Trio GoGo Penguin, das, zumindest was Ideen, Kompositionstechnik und Spielweise angeht, dem deutschen Trio Brandt, Brauer, Frick nachzueifern scheint, also Piano-Motive, die man aus dem Edel-Jazz, der Neoklassik (Steve Reich etc.) und der Parfümwerbung kennt, auf einem Dancefloor-Rhythmenteppich anordnet. Mit klassischen Jazzinstrumenten wird Musik, die per Computer komponiert wurde, gespielt. Klingt sehr glattpoliert.

Man kann sich aber auch einfach das neue Rihanna-Album runterladen. Angeblich gibt’s ja darauf auch ein »Körperkurvenwackelexperiment auf unzerstechbaren Traumschaumblasen« (»FAZ«).

Le Magnetophone: »Qualitätsmanagement« (Innerlich Elvis / Soulfood)

GoGo Penguin: »Man Made Object« (Blue Note / Universal)

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal