nd-aktuell.de / 05.02.2016 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 2

Kampfansage an das Kleinstgeld

In den Niederlanden gibt es schon seit 2004 keine Ein- und Zwei-Cent-Münzen mehr

Steffi Weber, Amsterdam
In den Niederlanden wird im Laden auf Fünf-Cent-Beträge auf- oder abgerundet. Die kleinsten Kupferstücke sind seither überflüssig - doch jeder Vierte sehnt sich trotzdem nach ihnen zurück.

Prägen, verpacken, transportieren und vor Diebstahl schützen: Bares kostet Geld. Und je kleiner der Münzwert, desto weniger lohnt sich der Aufwand. In den Niederlanden hat man längst die Schlussfolgerung gezogen: »Ein- und Zwei-Cent-Münzen? Viele Niederländer wissen wahrscheinlich nicht einmal mehr, wie die aussehen.« Martijn Pols, Sprecher der Niederländischen Zentralbank, hat zwar keine genauen Zahlen parat, die Münzen sind laut ihm aber kaum noch im Umlauf. Schon seit dem Jahr 2004 werden in den Niederlanden die Endbeträge auf den Kassenbons auf 5 Cent gerundet. Für Kartenzahlungen gilt weiterhin der exakte Betrag, und wer möchte, darf den gerundeten Betrag immer noch mit Ein- oder Zwei-Cent-Münzen abrechnen. Nur will das halt kaum einer, wie es bei der Zentralbank heißt.

»Die Niederländer waren das Runden schon gewohnt«, erzählt Pols. Bereits in den 1980er Jahren hatten sie die Ein-Cent-Stücke ihres Guldens abgeschafft. »Kleine Münze, hohe Kosten, also weg damit«, lautete die Devise. Als die kleinen Kupfermünzen 2002 zusammen mit dem Euro wieder Einzug hielten, dauerte es auch nicht lange, bis man dem Kleingeld aufs Neue den Kampf ansagte. Laut Studien würden die Niederlande durch die Abschaffung der Ein- und Zwei-Cent-Münzen jährlich 30 Millionen Euro sparen - ob dies tatsächlich so eintraf, ist übrigens nicht bekannt.

Unter Leitung der Zentralbank führte man von April bis Juni 2004 in der Kleinstadt Woerden bei Utrecht einen Testlauf durch. In 150 Läden wurden die heutigen Regeln angewendet - mit durchschlagendem Erfolg: 83 Prozent der Kunden äußerten sich positiv oder neutral. Die anfängliche Quote der Gegner, 32 Prozent, hatte sich schon einen Monat nach dem Start halbiert.

Die Angst der Konsumenten, das Runden führe zu einer Preissteigerung, war offensichtlich unbegründet. Es wird schließlich nicht der Preis jedes einzelnen Artikels, sondern nur die Summe des gesamten Einkaufs ab- oder aufgerundet. Für den Konsumenten fällt die Regel mal zu seinen Gunsten, mal zu seinen Ungunsten aus. Statistisch gesehen, gleicht sich dies aus.

Zwei Monate nach Abschluss des Tests wurde das Runden landesweit eingeführt. Eine Gesetzesänderung brauchte es dazu nicht: Die Läden zeigten klar und deutlich an, dass sie rundeten. Daher wurden die Kunden nicht von den neuen Regeln überrascht.

»Am Anfang beschwerten sich einige bei uns«, sagt eine Sprecherin der niederländischen Verbraucherschutzorganisation Consumentenbond. »Sie verstanden nicht, warum die Münzen überhaupt eingeführt worden waren. Der Ärger hat sich aber schnell wieder gelegt.« Klagen über das Runden habe die Organisation schon seit Jahren keine mehr erhalten. Auch Touristen stören sich nicht an der Regel, heißt es beim zentralen Tourismusmarketingbüro NBTC.

Für Sander van Golberdinge, Direktor des Detailhandel Nederland, gibt es keinen Zweifel: »Das Runden hat für alle wirklich nur Vorteile.« Die Einzelhändler sparten nicht nur Geld, sondern auch Zeit - das Abrechnen verlaufe bedeutend schneller, seit der Käufer nicht mehr umständlich die Kupferstückchen aus dem Geldbeutel klauben muss. Auch den Kunden freut’s, wenn sich an der Kasse aus diesem Grund keine Schlange mehr bildet.

Dass sich kaum einer über das Runden beschwert, liegt laut van Golberdinge auch an der großen Zahl der Kartenzahlungen. »Wir haben diesbezüglich eine fantastische Infrastruktur«, meint der Chef des Einzelhandelsverbands, »und fördern digitales Zahlen bewusst.« Von einer bargeldlosen Zukunft träumen die Niederländer dennoch nicht. Van Golberdinge: »Der Kunde ist König. Solange er lieber bar bezahlen möchte, lassen wir ihn das gerne tun.«

Wer so argumentiert, müsste aber strikt genommen für die Wiedereinführung der Ein- und Zwei-Cent-Münzen sein. Denn auch wenn niemand Verluste durch das Runden erleidet, sehnen sich doch recht viele Niederländer nach den beiden Kupfermünzen zurück. Laut einer Studie der Großbank ING befürworten mittlerweile 26 Prozent der Konsumenten eine Wiedereinführung der Ein- und Zwei-Cent-Münzen.

Die Autoren führen den relativ hohen Anteil auf das psychologische Phänomen der Verlustaversion zurück: Ein Kunde, der an der Kasse zwei Cent zu viel bezahlt, erlebt diesen Moment bewusster, während er einen gleich hohen Gewinn nicht zur Kenntnis nehme. Die Analysten der Großbank raten den Konsumenten, in solchen Momenten daran zu denken, dass die Rundungsdifferenz in ebenso vielen Fällen zu ihrem Vorteil ausfalle. Hinzu komme, dass die Kosten durch das Runden niedriger seien - für die Gesellschaft als Gesamtes und damit auch für die Skeptiker.