nd-aktuell.de / 07.02.2016 / Politik

Labour stellt sich gegen den Brexit

Parteichef Jeremy Corbyn will für ein »wirklich soziales Europa« werben / Forderung nach einer Demokratisierung der EU, mehr Rechte für Arbeitnehmer und eine nachhaltige Wirtschaftspolitik

London. Die oppositionelle Labour-Partei will für einen Verbleib Großbritanniens in der EU werben. Eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union sei »im besten Interesse des britischen Volkes«, sagte Parteichef Jeremy Corbyn am Samstag in einer Rede in Nottingham. Die EU sei der »beste Rahmen für Handel und Zusammenarbeit in Europa«. Es sei aber an der Zeit für »fortschrittliche Reformen«.

Vor dem Referendum wolle Labour für ein »wirklich soziales Europa« werben, sagte Corbyn, der bislang stets als EU-Skeptiker auftrat. Er forderte eine Demokratisierung der EU, mehr Rechte für Arbeitnehmer und eine nachhaltige Wirtschaftspolitik. Dem »Privatisierungsdruck« und der Deregulierung öffentlicher Dienstleistungen müsse ein Ende gesetzt werden. Das zwischen der EU und den USA geplante Freihandelsabkommen TTIP lehne er daher ab, sagte Corbyn.

Der britische Premierminister David Cameron will seine Landsleute vermutlich noch in diesem Jahr über den Verbleib in der EU abstimmen lassen. Zuvor will er eine Reform der EU in vier Bereichen erreichen.

Die 2013 verstorbene Premierministerin Margaret Thatcher hätte Camerons EU-Kurs nach Einschätzung ihres früheren Beraters Lord Charles Powell unterstützt. Die »Eiserne Lady« hätte wohl härter mit Brüssel gerungen, am Ende wäre sie aber zufrieden gewesen mit dem Verhandlungsergebnis, das jetzt auf dem Tisch liegt, schrieb Powell in einem Gastbeitrag für die »Sunday Times«.

»Margaret Thatchers Herz hing nie an unserer EU-Mitgliedschaft. Aber ich bin überzeugt, dass sie mit ihrem Kopf einen Verbleib unter den nun angebotenen Bedingungen befürwortet hätte.« Ihr Frust über Brüssel sei gelegentlich »übergekocht«, schrieb Powell. »Eines hat sie aber nie vorgeschlagen: einen Austritt Großbritanniens aus der EU.« Thatcher, die von 1979 bis 1990 regierte, war berühmt für ihre europaskeptische Haltung und setzte unter anderem eine Rabatt auf Londons Beitragszahlungen an Europa durch.

Cameron hofft beim EU-Gipfel in zwei Wochen auf grünes Licht für einen mit Brüssel ausgehandelten Kompromissvorschlag, der eine Begrenzung von Sozialleistungen für EU-Ausländer vorsieht und den nationalen Parlamenten eine »rote Karte« in die Hand gibt, um unliebsame EU-Gesetze zu stoppen. Einer aktuellen Umfrage zufolge befürworten derzeit 45 Prozent der Bevölkerung einen »Brexit«, 36 Prozent wollen ihr Land weiter in der EU sehen. AFP/nd