Bochum: Überfall durch »Südländer« nur erfunden

Mädchen hatten sich Raubüberfall laut Polizei nur ausgedacht / Bad Schlema: Bürgermeister rät Mädchen, Asylunterkunft zu meiden / Attacke auf Büros von LINKEN und Grünen in Chemnitz / Eine Verletzte nach Steinwurf auf Flüchtlingsheim in Kißlegg

  • Lesedauer: 5 Min.

Berlin. Angst vor einer Standpauke durch die Eltern war offenbar in Bochum der Grund, warum zwei Mädchen im Alter von 13 und 14 Jahren gegenüber der Polizei erklärten, am 6. Februar von einer Gruppe »Südländer« überfallen worden zu sein. Nach Ermittlungen der Kriminalpolizei stellt sich nun jedoch heraus, dass die beiden Kinder den Raubüberfall lediglich erfunden hatten. Gegenüber den Beamten erklärten die Mädchen, das angeblich geklaute Handy sei lediglich verloren gegangen.

Ebenfalls in Bochum hat sich nach einem Bericht der LINKEN offenbar ein Asylsuchender das Leben genommen. Wie die Ortsverband der Partei auf seiner Website schreibt, sei ein junger Syrer am Mittwochmorgen tot aufgefunden worden. Eine Krisenbetreuung sei laut Stadtverwaltung für die Menschen in der Unterkunft organisiert, auch die Kriminalpolizei ermittelt. Wie die LINKE weiter schreibt, sei sie während der Sitzung des Hauptausschusses der Stadt Bochum vom Tod des Mannes informiert worden. »In vielen Gesprächen mit Geflüchteten erfahren wir regelmäßig von Situationen, die als existenzbedrohend und ausweglos wahrgenommen werden«, heißt es in einer Erklärung.

Unbekannte haben mit einem Pflasterstein ein Fenster einer Flüchtlingsunterkunft in Kißlegg bei Ravensburg (Baden-Württemberg) eingeworfen und eine Jugendliche verletzt. Ein Sicherheitsmann sah drei bis vier flüchtende Verdächtige, einer soll sich fremdenfeindlich geäußert haben, wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch mitteilten. Die Täter konnten zunächst nicht gefasst werden. Die 16-Jährige wurde durch Glassplitter leicht am Kopf verletzt. Ein Mann meldete sich ebenfalls verletzt - allerdings war unklar, ob seine Blessuren am Fuß von der Attacke stammen. In der Unterkunft leben derzeit etwa 100 Flüchtlinge.

In der Nacht zum Mittwoch ist das Wahlkreisbüro der LINKEN-Landtagsabgeordneten Susanne Schaper in Chemnitz Ziel einer Attacke geworden. Wie die Linke Sachsen berichtet, haben Unbekannte das Fenster und die Fassade des Büros mit scharz-brauner Farbe beschmiert. Auch das Bürgerbüro der Grünen wurde in der gleichen Nacht Ziel eines Übergriffs. Ein Einzelfall ist das nicht: Allein in den letzten zwei Monaten wurde Schapers Büro drei Mal attackiert, insgesamt gab es in Sachsen dieses Jahr bereits 13 Übergriffe auf Büros der LINKEN.

Im sächsischen Bad Schlema sorgt Bürgermeister Jens Müller (Freie Wähler) mit einem fragwürdigen Rat für Diskussionen und Empörung. Wie aus einem Youtubevideo hervorgeht, antwortete Müller auf einer Gemeinderatssitzung am 29. Januar einem Vater, dessen Tochter angeblich durch einen jungen Asylsuchenden belästigt worden sei: »Ganz einfach, indem man dort nicht provoziert und entlangläuft...« Gemeint ist mit »dort« eine Asylunterkunft in der sächsischen Kleinstadt. Die Reaktion des Stadtoberhauptes gefiel offenbar vielen Anwesenden nicht, wie das weitere Video verrät. Viele der etwa 100 anwesenden Gäste quittierten Müllers Idee mit Pfiffen, Buh-Rufen und Beleidigungen.

Das Feuer in einem auch von Asylbewerbern bewohnten Mehrfamilienhaus in Bruchmühlbach-Miesau (Landkreis Kaiserslautern) ist offensichtlich gelegt worden. Nach Bewertung eines Sachverständigen gingen Staatsanwaltschaft und Polizei von Brandstiftung aus, teilten die Behörden am Mittwoch mit. Konkrete Anhaltspunkte für einen fremdenfeindlichen Hintergrund hätten sich bisher nicht ergeben, könnten aber auch nicht ausgeschlossen werden. Zur Untersuchung des Vorfalls richtete die Kriminalpolizei eine sechsköpfige Ermittlungsgruppe ein.

Das Feuer war am Montagabend in einem als Müllabstellplatz genutzten Innenhof des Gebäudes ausgebrochen und hatte auf die Hausfassade übergegriffen. Der Brand war aber gelöscht worden, bevor die Flammen sich weiter ausbreiten konnte. Die Bewohner konnten anschließend wieder in das Haus zurückkehren. Dort ist nach Angaben eines Polizeisprechers auch eine syrische Flüchtlingsfamilie untergebracht.

Nach dem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft im niedersächsischen Salzhemmendorf leidet das Hauptopfer noch immer schwer unter den Folgen der Tat. Die Mutter aus Simbabwe sei sehr ängstlich, sagte der Anwalt der 35-Jährigen, Sebastian Piontek, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. »Sie hat hier ihr zweites Trauma erlebt.«

Im Prozess um den Brandanschlag haben die drei Angeklagten die Tat gleich zum Prozessauftakt vor dem landgericht Hannover am Mittwoch gestanden. Hauptauslöser sei Alkohol gewesen, versuchten sie ihre Tat zu rechtfertigen. Die beiden Männer gestanden in Erklärungen, die ihre Verteidiger verlasen, einen Molotowcocktail gebaut und in die Wohnung einer Mutter aus Simbabwe geworfen zu haben. Nur durch Glück wurde niemand verletzt.

Die beiden 25 und 31 Jahre alten Männer und eine 24-jährige Frau müssen sich wegen gemeinschaftlichen versuchten Mordes vor dem Landgericht Hannover verantworten. Die Staatsanwältin warf ihnen eine Tat auf »unterster sittlicher Stufe« vor. Alle drei erklärten, sie bereuten den Anschlag zutiefst. Vor der Tat hörte das Trio Musik rechtsradikaler Bands. Sie seien aber nicht grundsätzlich fremdenfeindlich, behaupteten sie.

In einer Garage bauten die beiden Männer aus einer leeren Weinbrandflasche den Brandsatz, der ältere der beiden warf ihn schließlich. Er wurde von den anderen als Haupttäter beschrieben. »Ich bin mir sicher, dass ich mich nüchtern nie an der Tat beteiligt hätte«, hieß es in der Erklärung des 25 Jahre alten Angeklagten. rdm mit Agenturen

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