Aus den Hotspots kommt kein Heil

Italien streitet mit der EU um Erstaufnahmeeinrichtungen und Flüchtlingsverteilung

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Italien und EU liegen wegen der Flüchtlingskrise weiter im Clinch. »Hotspots« lösen die Probleme nicht, die Verteilung bleibt aus.

Die italienische Flüchtlingsproblematik ist aus den internationalen Schlagzeilen verschwunden. Man beschäftigt sich mit Griechenland und der Balkanroute, vergisst dabei aber, dass auch im Jahr 2015 über 150 000 Menschen an den italienischen Küsten gelandet sind, neun Prozent weniger als 2014. Die Zahl der Menschen, die bei ihrer Überfahrt von Libyen den Tod fanden, betrug 3279. Und obwohl sich die Lage in Italien leicht entspannt hat, reißen die Polemiken zwischen der EU und Italien nicht ab, sie drohen sich sogar zu verschärfen.

Hauptstreitpunkt scheinen die sogenannten Hotspots zu sein, besondere Erstaufnahmeeinrichtungen, in denen die Ankömmlinge sofort identifiziert werden sollen, um dann auch auf andere EU-Länder verteilt zu werden. Mehrere Menschenrechtsorganisationen halten diese Hotspots auch juristisch für äußerst fragwürdig.

Die italienische Regierung weicht diesem grundlegenden Problem eher aus, ist aber kritisch. »Die Hotspots sind ein schwieriges Thema«, sagte im Januar Domenico Manzione, Staatssekretär im Innenministerium und für Flüchtlingsfragen zuständig. »Die anderen Staaten scheinen diesen Einrichtungen Wunderheilskräfte zuzumessen, aber so ist es nicht. Für uns sind es Strukturen, in denen wir das tun, was wir schon immer getan haben, aber die Migranten auch gleichzeitig identifizieren. Doch leider weigern sich viele dieser Menschen und in unserem Land besitzen wir keine Handhabe, die es uns gestatten würden, sie dort länger festzuhalten.«

Tatsächlich gibt es auf dem Papier in Italien drei solcher Zentren - aber einen großen Einfluss haben sie nicht. Das wirkliche Problem ist hingegen - um es weniger diplomatisch zu sagen -, dass Italien sauer darüber ist, dass die sogenannte Relocation, also die quotenmäßige Umverteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Staaten, die Italien im vergangenen Jahr zugesichert worden war, überhaupt nicht funktioniert. Bisher wurden weniger als 300 Personen »verteilt«. Insgesamt sollen Italien und Griechenland um 160 000 zu versorgende Menschen erleichtert werden.

Die schleppende Umsetzung hat verschiedene Gründe. Auf der einen Seite weigern sich bekanntlich nicht wenige Staaten, in ihren Ländern für die Schutzsuchenden zu sorgen. Auf der anderen ist es auch so, dass in den letzten Monaten kaum mehr Syrer nach Italien kommen, weil sie den Weg über die Türkei und Griechenland wählen. In Italien sind 2015 vor allem Menschen aus Eritrea, Nigeria, Somalia und Sudan angekommen. Diese Länder gelten in einigen europäischen Staaten als »sicher« oder weniger »gefährlich«.

Außerdem ist es offensichtlich, dass man in vielen europäischen Ländern lieber Menschen aus Syrien aufnimmt, die oft gut ausgebildet und auch relativ wohlhabend sind (Außerdem fallen sie im Straßenbild nicht so auf!). Die Einrichtung von funktionierenden Hotspots und die Zahlungen an die Türkei, damit man sich dort um die Flüchtlinge »kümmert«, werden also zu Druckmitteln, die Italien gegenüber der EU einzusetzen versucht. Bisher mit wenig Erfolg.

Ein erster Erfolg wurde hingegen bei der Bekämpfung der Schlepperbanden verkündet, die mit den Flüchtlingen viel Geld verdienen und sie dabei unmenschlich behandeln und enormen Gefahren aussetzen. Am Montag wurden in Palermo - zum ersten Mal in Italien - sechs Mitglieder eines Schleuserrings zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie sollen unter anderem für den Tod von 366 Geflüchteten verantwortlich sein, da das Boot mit Menschen aus Eritrea und Somalia, das sie von Libyen nach Italien bringen sollte, nur wenige Seemeilen vor der afrikanischen Küste gesunken war.

Doch die Hintermänner des Menschenhandels bleiben ungestraft. Drei Personen aus Eritrea, Äthiopien und Sudan sind untergetaucht. Ungeklärt bleibt auch, ob die sizilianische Mafia oder andere kriminelle Organisationen aus Italien in dieses verbrecherische Business verwickelt sind.

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