Denkmalschutz für Pegida?

Dresdner Semperoper wird für ihre sichtbare Stellungnahme gegen Fremdenhass angezeigt

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Semperoper wehrt sich mit einer Videowand dagegen, als Kulisse für Pegida vereinnahmt zu werden. Nun gab es eine Anzeige: Man sieht den Denkmalschutz verletzt.

In der Semperoper sind alle zu Hause: der Bayer Richard Strauss, der Ungar György Kurtág, der Tscheche Antonín Dvořák. »Wir spielen sie alle«, war vor einigen Wochen auf einer Videowand zu lesen. Seit Herbst ist sie auf einem Balkon über dem Eingang, der so genannten Exedra, installiert und von sechs Uhr früh bis kurz vor Mitternacht in Betrieb. Erstmals war der Bildschirm am 19. Oktober erleuchtet, dem Tag, als die Pegida-Bewegung auf dem Platz vor der Oper ihr einjähriges Bestehen feierte. Die Theaterleute hatten für die Anhänger eine klare Botschaft: Die Semperoper, so war zu lesen, sei »kein Bühnenbild für Fremdenhass«.

Derlei Bekenntnisse passen offenbar nicht jedem. Wie die »Sächsische Zeitung« berichtet, ging bei der Stadt eine Anzeige ein. Moniert wird zwar formal ein Verstoß gegen den Denkmalschutz. Es liege aber »nicht fern« zu vermuten, dass auf dem Umweg die »missliebige« Meinungsäußerung unterbunden werden solle, sagt André Schollbach, Fraktionschef der LINKEN, dem »nd«. Passend dazu erklärt die Landtagsfraktion der AfD, die Pegida inhaltlich nahe steht, die Oper sei »keine Pinnwand für politische Parolen«. Das Anbringen der Tafel erfülle womöglich gar »einen Straftatbestand«, sagte der Dresdner AfD-Politiker Jörg Urban und kündigte parlamentarische Aktivitäten an.

Das Rathaus hat auf die Anzeige reagiert; derzeit werde »geprüft, ob es sich überhaupt um eine genehmigungspflichtige Anlage handelt«, hieß es auf Anfrage. Die Oper sei im Rahmen einer Anhörung bereits befragt worden. Gegebenenfalls müsse man »unter Abwägung der widerstreitenden Interessen« entscheiden, ob eine Genehmigung erfolgen könne.

Die Semperoper selbst sieht die Videowand als »Kunstaktion«; Intendant Wolfgang Rothe geht davon aus, dass diese nicht von den Denkmalschutzbehörden genehmigt werden müsse. Mit der Aktion wolle man dem »künstlerischen und gesellschaftspolitischem Auftrag« des Theaters »auf besonders wirkungsvolle Weise Ausdruck verleihen«, heißt es auf dessen Homepage.

Die Musiker, Sänger und Tänzer, darunter viele mit ausländischer Herkunft, sind es leid, dass ihr Haus weltweit als Kulisse für TV-Bilder und Fotos von Pegida herhalten muss – und damit für einen »vergifteten, menschenverachtenden Geist, der sich hier in Dresden ausgebreitet hat«, wie es in einem offenen Brief hieß, der im Dezember an Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) und Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) gesandt wurde. Beide wurden aufgefordert, nicht zuzulassen, dass »die Plätze unserer Stadt mit Hetzparolen gefüllt werden«. Diese schallen regelmäßig auch über den Platz, während in der Oper gespielt wird – was zu skurrilen Szenen führt, wenn sich japanische Touristen oder ältere Paare in Abendrobe durch die aggressiv gestimmte und »Merkel muss weg« rufende Menge drängen müssen. Immer wieder würden Karten zurückgegeben, heißt es in dem Schreiben. Der Brief macht aber klar, dass es nicht vordergründig um das künstlerische Geschäft geht, sondern dass die Theaterleute Pegida widersprechen – und sich deswegen angefeindet sehen: »Wir fühlen uns nicht nur unwohl, sondern vor allem nicht mehr sicher.«

In seiner Antwort hatte Tillich Verständnis für die »beklemmende Lage« geäußert, aber auch betont, das Versammlungsrecht lasse kein Verbot der Kundgebungen zu. Zugleich hatte der Regierungschef sich indes »dankbar« gezeigt, das die Oper »mit Plakaten, Fahnen und Aktionen klar Stellung nehme«. Etwaige Einwände wegen des Denkmalschutzes hatte der Ministerpräsident dabei nicht.

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