Erstaunliche Zahlen zum irischen Wahltag

Sparprogramm traf die Ärmsten am härtesten, doch Mitte-Rechts-Koalition will ihren Kurs fortsetzen

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei der irischen Parlamentswahl am Freitag scheint ein klares Ergebnis unwahrscheinlich. Zu stark ist die Spaltung des Landes infolge des jahrelangen Sparprogrammes.

Die Koalitionsregierung unter Ministerpräsident Enda Kenny hat sich in den vergangenen Wochen als einzige Garantin für Stabilität präsentiert. Irland stehe am Freitag vor einer klaren Wahl, sagte Kenny Anfang Februar: »Wollen die Wähler den Aufschwung aufrechterhalten oder ihn gefährden?« Nur wenn die Mitte-Rechts-Koalition aus Fine Gael und Labour wiedergewählt werde, könne sich die wirtschaftliche Erholung fortsetzen. Tatsächlich kann die Regierung, die seit 2011 im Amt ist, auf Erfolge zurückblicken.

Die Wirtschaft wuchs 2015 um sieben Prozent - mehr als die anderen Länder der Eurozone. Die Arbeitslosigkeit ist von 15 Prozent im Jahr 2012 auf deutlich unter zehn Prozent gefallen, und der Staat kann sich auf den internationalen Märkten billiger mit Geld eindecken als beispielsweise Großbritannien oder Italien.

Wenn man sich das Ausmaß der Krise anschaut, die nach dem Platzen der Immobilienblase und dem Finanzkollaps von 2008 über das Land hereingebrochen war, sind dies erstaunliche Zahlen. Als der Staat an keine neuen Kredite herankam, schalteten sich 2010 der Internationale Währungsfonds und die Europäischen Union mit einem Rettungsprogramm ein. Im Gegenzug auferlegten sie Irland drastische Sparmaßnahmen. Der Staat setzte das Programm artig um und schrumpfte den Staatshaushalt um rund 30 Milliarden Euro. Ende 2013 konnte es das Rettungsprogramm verlassen.

Doch die Einsparungen haben tiefe Spuren hinterlassen. Die Zahl der Staatsangestellten ist um ein Zehntel reduziert, die Löhne im öffentlichen Sektor sind um rund 15 Prozent gekürzt worden. Die markanten Einsparungen im Gesundheitssektor resultierten in längeren Wartezeiten in Krankenhäusern.

Weil der Staat weniger Geld in die Bereitstellung von Wohnraum steckte, fehlen heute 25 000 von Gemeinden zur Verfügung gestellte Wohnungen; das hat unter anderem zu einem dramatischen Anstieg der Obdachlosigkeit geführt. Zudem sind Gebühren eingeführt und erhöht worden, etwa für Wasser, Schultransport oder Medikamentenrezepte. In der Zeitspanne von 2008 bis 2013 ist der Anteil armutsgefährdeter Kinder von 18 Prozent auf fast 30 Prozent gestiegen. Die Vereinten Nationen übten letztes Jahr scharfe Kritik am irischen Sparprogramm, weil es den ärmsten Bevölkerungsteil am stärksten traf.

Vom Aufschwung haben diese Leute kaum etwas gesehen. Dafür erfuhren jene am oberen Ende der Einkommensskala eine Verbesserung: Die Zahl der Millionäre in Irland hat sich gegenüber der Zeit vor der Krise mehr als verfünffacht. Dazu kommt, dass das Wachstum des BIP erheblich durch äußere Umstände bedingt ist. Irland profitierte vom billigen Öl und vom billigen Euro, der die Exporte ankurbelte. Andererseits spielen die Steuerstrategien internationaler Konzerne eine bedeutende Rolle für die irische Wirtschaft: Der niedrige Steuersatz für Unternehmen - gerade einmal 12,5 Prozent - lockt milliardenschwere Unternehmen wie Google oder Apple nach Irland, die das BIP steigen lassen.

Weite Teile der Bevölkerung sind denn auch nicht wirklich überzeugt von der gegenwärtigen Regierung: Nach jüngsten Meinungsumfragen sind kleinere Parteien auf dem Vormarsch, klare Mehrheitsverhältnisse wird es am Freitag voraussichtlich nicht geben.

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