Friedliche Heimat neu entdeckt

Mit 12,5 Millionen Übernachtungen verzeichnet der Tourismus erneut einen Rekord

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Möglicherweise schöpft Brandenburg Gäste von Sachsen ab, die von den Pegida-Märschen in Dresden angewidert sind.

Seit vielen Jahren kennt die brandenburgische Tourismuswirtschaft nur eine Richtung. Es geht aufwärts. Auch 2015 verzeichnete sie wieder spektakuläre Zuwächse.

Nicht allein, dass der Tourismus seine Erfolgsgeschichte fortsetzt, nein, er setzt sie »eindrucksvoll« fort, wurde festgestellt, als Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) am Freitag die Bilanz vorlegte. Inzwischen buchten Gäste im Bundesland über 12,5 Millionen Übernachtungen, mit 4,9 Prozent ein »sattes Plus«, wie Gerber sagte. Mehr als 4,6 Millionen Besucher entdeckten die schönen Seiten Brandenburgs, das waren 5,9 Prozent mehr als 2014. Damit ist der Fremdenverkehr mit seinen rund 10 000 Betrieben und 60 000 Beschäftigten ein wichtiger Wirtschaftszweig geworden, der auf »Weltoffenheit, Toleranz und gesellschaftlichen Frieden angewiesen ist«, bemerkte Gerber. Ausdrücklich verwies er dabei auf sinkende Gästezahlen im sächsischen Dresden und in der Umgebung dieser Stadt - in folge der Pegida-Spaziergänge.

Zunehmend entscheiden sich auch Ausländer für einen Besuch in Brandenburg, jede dreizehnte Übernachtung wurde von ihnen gebucht. Sie kamen vor allem aus Polen und den Niederlanden. Zweistellige Zuwächse sind auch bei Touristen aus Dänemark und Tschechien zu verzeichnen. Zur guten Bilanz habe auch die Bundesgartenschau entlang der Havel beigetragen, heißt es. Unter dem Strich war die Buga allerdings ein großes Verlustgeschäft.

Als vor über einem Jahrzehnt die riesige Luftschiffhalle in Brand von einem Investor aus Malaysia gekauft und ins Freizeitparadies »Tropical Island« verwandelt wurde, waren viele skeptisch. Heute sei dieser Ort ein Magnet, sagte Dieter Hütte, Chef der Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH. Die Tourismuswirtschaft bereite sich auf das Fontane-Jubiläum 2017 vor. Vorausgesetzt, dass nicht internationale Entwicklungen alle Berechnungen über den Haufen werfen, könnte die Branche in zwei bis drei Jahren die Grenze von 14 Millionen Übernachtungen erreichen.

Trotz der seit elf Jahren zu verzeichnenden Zuwächse nimmt Brandenburg nur Platz 12 unter den 16 Bundesländern ein. Hinter ihm liegen - was die Übernachtungszahlen betrifft - nur noch das Saarland, Sachsen-Anhalt, Bremen und Thüringen. Das hänge auch damit zusammen, dass Brandenburg - von Spreewald und Potsdam abgesehen - nie ein klassisches Reiseland gewesen sei, erklärte Minister Gerber. »Wir kamen aus dem Nichts.« Hamburg habe allein im Vorjahr 13 Millionen Besucher gehabt - »dort entsteht gerade unwahrscheinlich viel Übernachtungskapazität«. Hinzu komme, dass die für Brandenburg typischen Kleistherbergen in der Statistik gar nicht auftauchen. Alle Hotels und Pensionen mit weniger als sechs Betten werden nicht mitgezählt. Gerber schätzt aber, dass dort noch einmal zwölf Millionen Übernachtungen pro Jahr stattfinden.

Hat der Zuwachs etwas mit der unsicheren Lage in vielen traditionellen Reiseländern der Welt zu tun? Hütte sagte, das könne nicht von der Hand gewiesen werden. Man werde aber erst im kommenden Jahr wissen, ob es einen solchen Effekt gegeben habe. Ein Indiz ist laut Gerber, dass ein großer Teil der Menschen seinen Sommerurlaub in diesem Jahr noch nicht gebucht habe, das sei in früheren Jahren immer anders gewesen. »Viele beobachten die Lage genau.«

Auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin wird Brandenburg erneut gemeinsam mit der Hauptstadt auftreten - allerdings mit einer veränderten Gestaltungskonzeption. Das krasse Erlebnisgefälle zwischen quirliger Metropole und brandenburgischer Naturbelassenheit soll in Farben und Aufbau sinnfällig werden. Die Neugestaltung der Ausstellungshalle kostete Brandenburg 450 000 Euro, allerdings geht Hütte davon aus, dass ein Drittel dieser Summe durch die Vermietung der Stände wieder zurückfließt.

65 Prozent der Brandenburgbesuche kommen wegen der Natur, fahren etwa Rad oder Kanu. Es locken auch die vielen Parks. Hütte verwies auf das Konzept: »Gärtner führen keine Kriege.«

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