Angst vor Gettos

Neue Diskussion über Residenzpflicht für Asylbewerber

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Vor allem Stimmen aus der Union wollen Flüchtlingen den Wohnort strenger vorzuschreiben. »Wenn sich Gettos ausbilden, funktioniert Integration nicht«, sagte Thomas Strobl (CDU), Vizevorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Daher »brauchen wir unbedingt eine Wohnsitzauflage für alle Asylberechtigten, anerkannten Flüchtlinge und Schutzberechtigte, die nicht selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können«. Nur wer einen Arbeitsplatz und eine eigene Wohnung habe, solle seinen Wohnort auch selbst wählen dürfen, fügte Strobl hinzu.

Der Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Frank-Jürgen Weise, hatte sich am Wochenende für eine befristete Residenzpflicht für Asylbewerber von drei Monaten ausgesprochen. Er führt pragmatische Gründe der Unterbringung dafür an: In ihrer ersten Zeit in Deutschland sollten Asylbewerber in Landkreisen untergebracht werden, in denen mehr Wohnraum als in Großstädten verfügbar sei, sagte Weise den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Danach dürfen sie arbeiten, und dann sollte auch die Residenzpflicht aufgehoben werden.« Auch Weise befürchtet aber ebenso eine Ghettobildung in den Ballungsräumen. Flüchtlinge wollten dorthin, wo Landsleute seien: Pakistaner ins Rhein-Main-Gebiet, Afghanen nach Hamburg, Syrer nach Berlin.

Organisieren lasse sich eine Residenzpflicht über den Flüchtlingsausweis, erklärte Weise. Die Bundesländer könnten in eigener Verantwortung festlegen, dass ein Asylbewerber seine Hilfsleistungen nur in einer bestimmten Stadt oder Landkreis bekomme.

Viele Politiker von Union, aber auch der SPD plädierten zuletzt für eine Verschärfung der Residenzpflicht, weil sie befürchten, dass - wenn sie in großer Zahl in die Ballungszentren zögen - dort soziale Spannungen verstärken könnten. Derzeit gilt die Residenzpflicht für Flüchtlinge, deren Asylverfahren noch nicht entschieden ist, zumeist landesweit.

Die Grünen kritisieren Wohnsitzauflage auch für anerkannte Flüchtlinge als »völkerrechtlich und europarechtlich unzulässig«, erklärte der Grünen-Innenexperte Volker Beck. Auch integrationspolitisch sei sie kontraproduktiv. AFP/nd

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