Jugendamt soll für ärztliches Falschgutachten haften

Kleinkind aus der Familie gerissen

  • Lesedauer: 2 Min.
Ein Horror für Eltern: Ihre Kleinkinder werden aus der Familie gerissen und zu Pflegeeltern gebracht. Laut Landgericht Mainz hat ein falsches Gutachten dazu geführt.

Ein Rechtsstreit um die Trennung zweier Kleinkinder von ihren Eltern nach einem falschen Gutachten der Rechtsmedizinerin nahm im Prozess am 12. Februar 2016 vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz eine neue Wende. Die Berufung der Gutachterin hatte vorläufig Erfolg.

Nicht die Rechtsmedizinerin, sondern das Jugendamt, das sie beauftragt hatte, sei Adressat für die Schmerzensgeldforderung der Eltern, sagte der Vorsitzende Richter Joachim Dennhardt in dem Zivilverfahren. Haftbar wäre die Kreisverwaltung als Trägerin des Jugendamts. Ein endgültiges Urteil werde aber erst am 18. März verkündet.

Nach einem früheren Urteil des Landgerichts Mainz hatte die Gutachterin nur nach Aktenlage und ohne Untersuchungen die erblich bedingten Wasserköpfe der zwei Jungen als Folge eines Schütteltraumas fehlinterpretiert. Das wäre Kindesmisshandlung. Daher brachte das Jugendamt die damals 6 und 18 Monate alten Kinder in eine Pflegefamilie.

Erst nach einem anderen entlastenden Gutachten bekamen die Eltern aus dem Rhein-Pfalz-Kreis ihre Kinder zurück - nach einem guten halben Jahr.

Laut dem Landgericht Mainz müsste die Rechtsmedizinerin Schmerzensgeld zahlen.

Auch das OLG Koblenz ging von einem grob fahrlässig erstellten Gutachten aus, sah die Expertin aber rein rechtlich nicht in der persönlichen Haftung. Die Eltern können, da der Fall noch nicht verjährt ist, erneut klagen - diesmal gegen die Kreisverwaltung, Sie fordern 80 000 Euro Schmerzensgeld.

Die Ärztin hatte laut ihrer Verteidigung keine Hinweise auf die erbliche Erkrankung, sprich den Wasserkopf des Kindes erhalten, bei dem sie ein Schütteltrauma feststellte.

Der Vorsitzende Richter des Oberlandesgerichts Koblenz, Joachim Dennhardt, entgegnete, dass ihr Gutachten eindeutig formuliert sei und andere Möglichkeiten als Misshandlung ausschließe.

Die Rechtsmedizinerin sagte, sie habe selbst drei Kinder und entschuldigte sich ausdrücklich für die Folgen ihres Gutachtens. Das wollte der Vater der Kinder nicht annehmen, da sie die bisherigen Gelegenheiten für eine Entschuldigung auch nicht genutzt habe. dpa/nd

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