Wie können wir uns das leisten?

Das post theater und seine Performance »House of Hope« über die Zukunft des Wohnens

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.
Gentrifizierung, knapper Wohnraum, Mietpreisbremse und steigende Immobilienpreise beschäftigen Politik, Initiativen und Medien. Das post theater recherchierte und fantasiert auf der Bühne über eine andere Zukunft des Wohnens in der Stadt.

Wie wollen wir wohnen, und wie können wir uns das leisten? - Diesen Fragen geht das post theater mit der Performance »House of Hope« nach. Es betreibt dabei großen Aufwand und blättert die Problemlage gut auf. Mit Sinn für die sozialen Dynamiken des Alltags zerpflückt die Truppe sogar die schöne Utopie der nach Diversitätskriterien gut durchgemischten Smart-City-Luxus-Groß-WG, die sie im Verlauf des Abends zunächst aufgebaut hatte, am Ende wieder.

Auch lokal ist die Performance schön verankert. Denn der Spielort Theaterdiscounter ist als Zwischennutzer in der Klosterstraße latent vom Rauswurf bedroht. Die Eröffnungssequenz des Abends besteht also darin, dass die Zuschauer als zukünftige Investoren eine Führung durch die Räume bekommen, in die später Lofts verschiedener Größen eingebaut werden sollen. Kaufpreis nur 3000 Euro pro Quadratmeter, preist der Makler an und verweist auf fast doppelt so hohe Preise in der Nachbarschaft.

Dann wechselt der Ton. Die vier Performer, die ihre schwarzen Makleruniformen noch immer tragen, liefern jetzt Aufklärung über wirtschaftliche Zusammenhänge. Preissteigerungen und Besitzverhältnisse auf dem Wohnungsmarkt werden in Form von Tortendiagrammen an die Wand geworfen. Auch auf die Steuergeldverbrennung beim sozialen Wohnungsbau weist die Truppe hin. Da wird nicht nur der Hausbau für den Investor durch die Zuschüsse zum Bau und später zur Kostenmiete über den Zeitraum von 15 bis 30 Jahren fast komplett durchfinanziert. Nach Ablauf der Mietpreisbindung - und kompletter Refinanzierung der Bauinvestition - sinkt die Miete aber nicht auf die real laufenden Kosten, sondern wird durch die Orientierung an den Mietspiegel noch maximal erhöht.

Erlösung soll nun, dies wird durch eine A-cappella-Musicaleinlage orchestriert, das House of Hope bringen. Das hat ein paar avantgardistische Merkmale. 50 Stockwerke hoch soll es in den Himmel schießen, alle drei Etagen über Indoor-Parks und Urban-Gardening-Anlagen sowie Swimmingpools und andere Gemeinschaftsräume verfügen. Frei nach Le Corbusier also, nur besser ausgestattet. Zusätzliches Feature ist, dass die Bewohner jeder Etage Wohnkuben haben, die sie frei modulieren und auch verschieben können, so dass ein jeder auch mal die Südseite genießen und sich mal am Sonnenaufgang und dann wieder am Untergang erfreuen kann. Wichtigstes Element der Wohnutopie ist aber, dass die Miete stets ein Drittel der Einkommen der einzelnen betragen soll. Reiche zahlen viel, auch Kapitaleinkünfte werden einbezogen; Ärmere weniger. Und sozial wird die Bevölkerungsstruktur auch gut durchmischt. Sie soll nach den Kriterien Alter, Gender, Familienstand, Berufsabschluss, Einkommen und Religion den Durchschnittswerten der Stadt entsprechen. Sogar ein paar Flüchtlinge - je nach Anteil - wird es in diesem 1000-Personen-Wohnuniversum geben.

In zahlreichen Miniszenen werden nun aber die sozialen Reibungsenergien durchgespielt. Da lassen die Betreuungsopas, die sich zur Aufsicht auf dem Spielplatz gemeldet haben, doch ein paar Mal zu viel ein Kind fallen. Da wird das Urban Gardening als zu anstrengend empfunden, weil vor dem Möhrenernten auch noch das Säen, Wässern und Düngen kommt. Und da wird der Smart-Charakter des Hauses zur Plage, weil der Haustürschlüssel schon die Routinen kennt und den Bewohner zur zwangsweisen Erledigung eben dieser Routinen bringt. Eine Art Wohlfühlterror macht sich breit, Fluchtgedanken ebenso.

Leider stellen die vier Performer Johanna Diekmeyer, Matthias Horn, Patrick Kathami und Mareile Metzner diese Szenen in kaum veränderter Haltung, der immer gleichen weißen Kleidung und einem sich lediglich durch Projektionstapete verändernden Raum dar. Was dramaturgisch gut gesetzte Konfliktpotenziale enthält, wird nur schematisch durchgespielt; all der Witz, all die Dramatik, all die Atmosphäre, die in diesen Szene hätten entstehen können, werden auf eine Mittellage eingedampft. Schade. Aktuell immerhin bleibt bleibt die charmante Finanzierungsidee.

House of Hope - ein Theaterabend über das Wohnen zwischen Albtraum und Vision. 11. und 12.3., 20 Uhr, Theaterdiscounter, Klosterstraße 44, Mitte

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