Landtage werden brauner

Wahlerfolge der rechten AfD heizen Debatten über Flüchtlingspolitik an

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Berlin. Nach den Erfolgen der rechten AfD am Wochenende bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ist der Streit über die Flüchtlingspolitik in der Union erneut entbrannt. »Wir sollten der Bevölkerung sagen, dass wir verstanden haben, und dass wir aus diesem Wahlergebnis auch Konsequenzen ziehen«, forderte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer angesichts der zum Teil deutlichen Stimmenverluste der CDU. Der CSU-Vorsitzende hatte sich immer wieder für eine Obergrenze bei der Aufnahme von Schutzsuchenden ausgesprochen. Diese dürfte allerdings rechtswidrig sein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel räumte ein, dass der Wahlsonntag ein schwerer Tag für die CDU gewesen sei. Die Parteivorsitzende führte dies darauf zurück, dass die Flüchtlingspolitik das dominierende Thema war. »Wir sind zwar vorangekommen und haben die Flüchtlingszahlen reduziert. Aber es gibt noch keine nachhaltige Lösung«, sagte Merkel. Einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik schloss die Kanzlerin aus. Sie setze weiter auf eine »europäische Lösung«. Demnach sollen Asylbewerber möglichst weit entfernt von der deutschen Grenze an der Weiterreise gehindert werden.

Die Große Koalition hatte das Asylrecht in den vergangenen Monaten schrittweise ausgehöhlt. Zu den Gesetzesverschärfungen gehörten etwa die Androhung von Leistungskürzungen für »ausreisepflichtige Asylbewerber« sowie die Ausweitung sogenannter sicherer Herkunftsstaaten. Linksparteichefin Katja Kipping konstatierte, dass dies vor allem der »zumindest in Teilen faschistischen AfD« geholfen habe. Kipping beklagte ein »gesellschaftliches Klima der Entsolidarisierung und des Rechtsrucks«. Zudem distanzierte sie sich von einer Aussage der Linksfraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht, die in einem Zeitungsinterview am Wochenende gesagt hatte, dass nicht alle Flüchtlinge nach Deutschland kommen könnten. Obergrenzen bei der Aufnahme von Schutzsuchenden würden von der LINKEN klar abgelehnt, erklärte Kipping.

Auch christliche und jüdische Vertreter reagierten besorgt auf das Abschneiden der AfD. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sprach von einer »rechtspopulistischen Protestpartei« und betonte zugleich, die »überragende Mehrheit der Deutschen« wolle schutzsuchenden Menschen auch weiterhin Hilfe zukommen lassen. Eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise, eine entschlossene Integrationspolitik und schnelle Asylverfahren seien »das beste Mittel gegen rechtsextreme Stimmungsmache in unserem Land«.

Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, sprach von einem »erschreckenden Rechtsruck der Gesellschaft« und sagte der Wochenzeitung »Jüdische Allgemeine«: »Gemeinsam müssen wir uns gegen die Ausgrenzung und Abwertung von Minderheiten in unserem Land wehren.« Die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden, Charlotte Knobloch, sagte, die AfD habe sich »bewusst jenseits der Grenzen des freiheitlich-demokratischen Spektrums begeben«.

Der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer forderte von der AfD ein klares Bekenntnis zu demokratischen Grundwerten. Das Positive an dem Ergebnis sei, dass die Auseinandersetzung ins Parlament getragen wird, »wo sie hingehört«, sagte Schorlemmer dem Evangelischen Pressedienst.

Die AfD konnte offenbar vor allem mit ihren flüchtlingsfeindlichen Sprüchen bei einem Teil des Wählerspektrums punkten. Funktionäre der Partei hatten etwa sofortige Grenzschließungen gefordert. In der Bundespressekonferenz gaben sie sich am Montag allerdings gemäßigter als bei ihren Auftritten vor rechtsradikalen Demonstranten. Die Vorsitzende Frauke Petry behauptete vor den Hauptstadtjournalisten, dass Kampagnen der Medien das Ziel gehabt hätten, die AfD zu diffamieren. Ihren Wählern versprach Petry, sich für »sozialen Frieden« einzusetzen. Allerdings steht die Partei noch immer für einen neoliberalen Kurs, der die Lage der sozial Abgehängten weiter verschlechtern würde. So lehnt die AfD etwa den Mindestlohn ab. Als wirtschaftspolitische Leitlinien nannte Petry »Freiheit, Verantwortung und Wettbewerb«.

Die Zugewinne der AfD und gleichzeitigen Verluste etablierter Parteien haben dazu geführt, dass alle drei bisherigen Landesregierungen keine Mehrheit mehr haben. In Sachsen-Anhalt ist die bisherige schwarz-rote Koalition auf die Unterstützung der Grünen angewiesen. Die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) will die FDP mit ins Boot holen und unter Einschluss der Grünen ein Dreierbündnis bilden. Ansonsten ist in Mainz auch eine Große Koalition aus SPD und CDU möglich. Völlig unklar ist, wer künftig in Baden-Württemberg regieren wird. Ein Bündnis von Grünen und CDU ist ebenso möglich wie Schwarz-Rot-Gelb oder Grün-Rot-Gelb. Allerdings hatte sich die FDP bisher wenig offen für ein Zusammengehen mit Grünen und SPD gezeigt. avr

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