Friedenspfeife rauchen mit einem Energieriesen?

Die Kohlegegner im Rheinland versetzen dem Konzern RWE schmerzhafte Nadelstiche - nun trifft man sich vielleicht am Verhandlungstisch

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Die einen nennen es Mediation, die anderen Friedensplan: Im Rheinischen Revier wird debattiert, ob sich der Energieriese RWE und militante Braunkohlegegner an einen Tisch setzen sollten.

Sie sind der zäheste, der radikalste, aber auch der umstrittenste Teil einer bunt wachsenden Bewegung gegen die Förderung und Verstromung der Braunkohle im rheinischen Revier bei Köln: jene oft öko-anarchistisch geprägten, meist jungen Menschen, die im Hambacher Forst ausharren. Dies ist ein Waldgebiet, das sukzessive dem Braunkohletagebau Hambach weichen soll. Der Betreiberkonzern RWE hatte mit der Rodung ursprünglich schon im April 2012 starten wollen.

Die Besetzer möchten im Wege sein, um die weitere Rodung zumindest zu verzögern, wenn nicht komplett zu verhindern. Immer wieder werden ihre Baumhütten geräumt, kommt es zu Scharmützeln, erneuten Waldbesetzungen, zu gegenseitigen Gewaltvorwürfen und Strafanzeigen. Seit rund anderthalb Jahren werden gelegentlich die gigantischen Schaufelradbagger besetzt, was den Tagebaubetrieb oft für Stunden lahm legt.

Tatsächlich versetzten die Waldbesetzer RWE schmerzhafte Nadelstiche. Auf Anfrage der FDP-Fraktion verkündete die Landesregierung, die »gewaltsamen« Proteste im Revier seien nicht leicht zu stoppen.

Vor diesem Hintergrund brachte der CDU-Landrat des Kreises Düren unlängst eine Mediation ins Gespräch. Hierbei würden sich beide Seiten, RWE und Besetzer also, an einen Tisch setzen unter Leitung eines idealtypischerweise neutralen Schlichters. Dirk Jansen, der Geschäftsleiter des Umweltverbandes BUND in Nordrhein-Westfalen, ist sehr dafür. »Beide Seiten sollten im Wortsinn abrüsten, bevor es zu noch größeren Schäden an Leib und Leben kommt«, seufzt er. Eine Eskalation nutze niemandem - »am wenigsten dem Klimaschutz«. Der Geograf vermisst allerdings auf beiden Seiten den politischen Willen.

Antje Grothus, Sprecherin der in Sachen Braunkohlewiderstand höchst bedeutsamen Initiative »Buirer für Buir«, hat hingegen Bedenken. Das Modell »Stuttgart 21«, das dem Landrat als Vorbild dient, hält sie für abschreckend: »Da wurden nur die Demonstrierenden von der Straße geholt.« Die Ernährungsberaterin spricht lieber von einem potenziellen Friedensplan. Entsprechende Entwürfe würden in der Bewegung »intensiv diskutiert«, auch Waldbesetzer brächten sich in die Debatte ein. Verhandlungsbereitschaft vermisst sie jedoch aufseiten des Konzerns: »Der Braunkohletagebau steht für RWE nicht zur Debatte und zwei massive Polizeieinsätze in den letzten Wochen zeigen, dass RWE eher auf Konfrontation aus ist«, bedauert Grothus.

Als Voraussetzung für erste »Sondierungsgespräche« fordert »Burirer für Buir« von RWE ein Rodungsmoratorium von einem Jahr und eine Bereitschaftserklärung, überhaupt über ein früheres Auslaufen des Tagebaus zu verhandeln. RWE dürfe den Beginn des Strukturwandels nicht länger »hinauszögern«, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme.

Die Grünen sind derweil zerstritten. Ihr regional zuständiger Kreisverband Düren befürwortet die Schlichtung, die Grüne Jugend in Nordrhein-Westfalen ist dagegen. Sie würde nur bei einem sofortigen Abbaustopp Sinn ergeben, dies beschloss der Parteinachwuchs vor anderthalb Wochen einstimmig bei seiner Mitgliederversammlung.

Kann also die Friedenspfeife nur dann geraucht werden, wenn die Kraftwerksschlote im Revier nicht mehr rauchen? Schneller Ausstieg aus der regionalen Braunkohle? Das wäre für den angeschlagenen RWE-Konzern keine leicht zu schluckende Kröte. Mit künftigen Braunkohlemilliarden will RWE schließlich den Atomausstieg finanzieren, den Abriss seiner Atomkraftwerke, die Lagerung des Atommülls. Zum Thema Friedensverhandlungen schweigt sich das Unternehmen gegenüber dem »nd« aus. Einfach ignorieren - das scheint auch die Strategie der Energiegewerkschaft IG BCE zu sein.

Die Kritik an der Braunkohle wird nicht abreißen, gilt sie doch als der klimaschädlichste Energieträger. Andererseits wird spekuliert, ob das Ende der zunehmend unrentablen Braunkohle nicht schlicht aus ökonomischen Gründen vor der Tür steht.

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