Globale Erwärmung ungebremst

Ergebnisse der Klimakonferenz in Nairobi enttäuschen Umweltschützer

  • Bernd Brouns, Nairobi
  • Lesedauer: 4 Min.
Die zweiwöchigen Klimaverhandlungen von 6000 Delegierten aus 189 Ländern in Nairobi sind mit mageren Ergebnissen zu Ende gegangen.
Bevor er nach Nairobi gekommen sei, habe er seiner Tochter erklärt, wer den Klimawandel verursachte und was die Folgen seien. Seine Tochter habe ihn aufgefordert, den Menschen in Afrika zu helfen, hatte der deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel zu Beginn der Klima-Konferenz in Nairobi erklärt, die am Freitag endete. »Das Ergebnis von Nairobi ist frustrierend. Die Bedrohung durch den Klimawandel wird immer dramatischer und die Klimadiplomatie bewegt sich im Schneckentempo«, so das Resümee von Konferenzteilnehmer Gerhard Timm vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Das Kyoto-Protokoll sieht bisher nur Minderungsverpflichtungen für Industrieländer im Zeitraum von 2008 bis 2012 vor. Eine Einigung auf ein Kyoto-Nachfolgeabkommen muss bis spätestens 2009 erfolgen, damit keine Lücke zur ersten Kyoto-Phase entsteht. In Nairobi traten die Verhandlungen jedoch bestenfalls auf der Stelle. Statt um zukünftige Klimaschutzziele wurde lediglich um Verfahrensfragen und Zeitpläne gerungen. Die auf der letzten Konferenz in Montreal eingerichtete Arbeitsgruppe zur Verhandlung zukünftiger Minderungsziele für Industrieländer erzielte kaum Fortschritte. Viele Industrieländer wollten erst das Ergebnis paralleler Verhandlungen zur Überprüfung der Wirksamkeit des Kyoto-Protokolls abwarteten. Diese Überprüfung sollte auf der nächsten Klimakonferenz in Bali (2007) in ein Verhandlungsmandat münden, das auch Entwicklungsländern zukünftig einen größeren Beitrag zum Klimaschutz abverlangt. Die Länder des Südens sperrten sich gegen ein solches Mandat nicht zuletzt aufgrund des zögerlichen Voranschreitens der Industrieländer. Der eine machte das Handeln des anderen also zur Voraussetzung für eigenes Handeln. Ein Teufelskreis, der zur Lähmung beider Verhandlungen führte. Im Ergebnis wurde weder ein Zeitplan für die Aushandlung zukünftiger Industrieländerpflichten verabschiedet, noch ein Mandat für 2007 vorbereitet. Stattdessen zog sich die Verhandlungsgruppe der Entwicklungsländer auf die Position zurück, nicht über eigene Verpflichtungen verhandeln zu wollen, obwohl Länder wie Südafrika, Mexiko und Argentinien vorher durchaus Gesprächsbereitschaft signalisiert hatten. Bei der Unterstützung von Entwicklungsländern im Umgang mit bereits heute spürbaren Folgen des Klimawandels, wurden kleine Fortschritte erzielt. In Nairobi wurde ein Regelwerk für den 2001 beschlossenen Anpassungsfonds verabschiedet. Es geht nur noch darum, wer für dessen Verwaltung zuständig ist. Der Fonds wird durch eine Gebühr auf Emissionszertifikate gespeist, die Industrieländer aus Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländern im Rahmen des »Clean Development Mechanism« des Kyoto-Protokolls gutgeschrieben erhalten. Die bis 2012 erwarteten 300 Millionen Euro sind jedoch nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Folgen des Klimawandels in den Entwicklungsländern werden sie nur unwesentlich lindern helfen. Eva Bulling-Schröter, die umweltpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linkspartei erklärte in Nairobi: »Millionen Menschen in den ärmsten Regionen der Welt sind besonders betroffen durch den Klimawandel. Dies habe ich bei einem Slumbesuch in Nairobi hautnah erlebt. Die Industrieländer als Verursacher der globalen Erwärmung müssen sich ihrer Verantwortung gegenüber den Opfern des Klimawandels durch umfassende Hilfsangebote stellen.« Ein positives Signal in Richtung Entwicklungsländer setzte die EU auf Initiative Deutschlands zum Ende der Konferenz. Ein kürzlich eingerichteter EU-Fonds zur Investitionsförderung für effiziente und erneuerbare Energietechnologien in Entwicklungsländern wurde auf über 100 Millionen Euro aufgestockt. Mehr als ein Bonbon für Gastgeberland und Medienöffentlichkeit ist dies jedoch nicht. Will die EU eine wirkliche Antreiberrolle übernehmen, und sie scheint gegenwärtig der einzig dafür infrage kommende Akteur, muss sie in den kommenden Monaten handeln. Eine Vorreiterrolle ist nur glaubhaft, wenn die EU-Staaten in 2007 durch Übernahme eines Minderungsziels von 30 Prozent bis 2020 ein klares Signal aussenden. Die Bundesregierung kann hier während ihrer EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 entscheidende Weichenstellungen vornehmen. Um den notwendigen Schwung in die Klimapolitik zu bringen, ist jedoch nicht nur Umweltminister Gabriel, sondern insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel gefragt. Angesichts der Dringlichkeit dieser Menschheitsherausforderung - Klimawissenschaftler sehen nur noch ein Zeitfenster von 10 bis 15 Jahren für ein Umsteuern auf globaler Ebene, muss Klimapolitik zur Chefsache werden. Auftakt dazu könnte eine Sondersitzung der Vereinten Nationen in New York im Vorfeld der nächsten Klimakonferenz sein, wie sie von Beobachtern vorgeschlagen wurde.
#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal