»Wichtige Möglichkeit verschenkt«

Human Rights Watch: Tribunal gegen Saddam bot dem irakischen Volk keine glaubhafte Justiz

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 3 Min.
Die USA-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat in einem umfangreichen Bericht den »Dudschail-Prozess« gegen den ehemaligen irakischen Machthaber Saddam Hussein und sieben Mitangeklagte vor dem irakischen Sondertribunal in Bagdad scharf kritisiert.
Es habe so viele Verfahrens- und Formfehler gegeben, dass nicht nur das Verfahren unfair verlaufen sei, auch das Todesurteil sei ungerecht, so die Menschenrechtsorganisation. Saddam Hussein, sein Halbbruder Barsan al-Tikriti und der ehemalige Richter Hamad al-Bandar waren Anfang November wegen der Hinrichtung von 148 Schiiten aus dem Ort Dudschail 1982 zum Tode durch den Strang verurteilt worden. Zehn Monate lang hat Nehal Bhuta, Autor des Berichts »Der Dudschail-Prozess« und Mitglied des Justizprogramms von HRW, den Prozess beobachtet und mit Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern gesprochen. »Das Tribunal hat eine wichtige Möglichkeit verschenkt, dem irakischen Volk eine glaubhafte Justiz zu bieten«, so sein Fazit. »Falls die irakische Regierung nicht die Teilnahme international erfahrener Richter und Anwälte () zulässt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Gericht weitere Verfahren auf faire Art und Weise durchführen kann.« HRW dokumentiert seit Jahren die Menschenrechtssituation in Irak. 1993 legte die Organisation eine ausführliche Untersuchung über den »Völkermord in Irak - Die Anfal-Kampagne gegen die Kurden« vor, was damals international kaum beachtet wurde. In dem nun veröffentlichten Bericht analysiert die Vereinigung zunächst die Entwicklung des Gerichts vom Irakischen Sondertribunal (2003) zum Hohen Irakischen Strafgericht (2005). Mängel werden beim Schutz von Opfern und Zeugen sowie bei persönlichen Verteidigern aufgelistet. Drei Anwälte der Angeklagten waren im Laufe des Verfahrens ermordet worden. Die Morde sind bis heute nicht aufgeklärt. Mängel sieht HRW auch bei der gerichtlichen Dokumentationspflicht. Der Verteidigung seien wichtige Beweise, darunter auch entlastendes Material, in der Vorbereitung nicht zugänglich gemacht worden. Auch das Recht der Angeklagten, Belastungszeugen gegenüberzustehen und zu befragen, sei missachtet und die Unparteilichkeit der Richter durch ihr Verhalten gegenüber den Angeklagten in Frage gestellt worden, heißt es. Von Beginn an sei der Prozess durch die irakische Regierung untergraben worden, die die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts bedroht habe, erklärt HRW. Parlamentsabgeordnete und sogar Minister hätten das Gericht als schwach verunglimpft, was zum Rücktritt des ersten Vorsitzenden Richters geführt habe. Kritisch bewertet HRW auch die Rolle internationaler Berater in dem Verfahren. Die UNO hatte es abgelehnt, juristische Berater zu entsenden. Die einzigen internationalen Berater für Staatsanwaltschaft und Richter wurden vom »Verbindungsbüro für Staatliche Verbrechen« (RCLO) gestellt, eine Einrichtung der USA-Botschaft in Bagdad. Wie weit deren Einfluss tatsächlich ging, sei unklar, so HRW. Die Arbeit sei nicht transparent gewesen. Aufgrund der geringen juristischen Kenntnisse von Richtern und Staatsanwälten seien die RCLO-Berater mehrfach »gezwungen gewesen einzugreifen«, wird in dem Bericht konstatiert. Als Beispiel nennt HRW den schlechten Schutz von Zeugen und Verteidigung. Der Einfluss von RCLO habe sich bis hin zur »Aufsicht über zentrale logistische und administrative Fragen für den Ablauf des Dudschail Prozesses« ausgeweitet. Einer der beteiligten Richter hatte im Gespräch mit HRW zugegeben, das RCLO hätte zeitweise wie die »Exekutivgewalt« des Gerichts fungiert.
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