Das Drachensteigen und die Meteorologie

Förderverein bemüht sich um den Aufbau eines Wettermuseums in Lindenberg

Besucher dürfen mal einen »Aßmann« in die Hand nehmen und werfen ihr Spendengeld nach dem Besuch der Wetter-Ausstellung in einen »Hellmann«. Beim »Aßmann« handelt es sich um ein Gerät, mit dem sich die Lufttemperatur frei von störenden Einflüssen wie der Sonneneinstrahlung bestimmen lässt. Der »Hellmann« sieht aus wie ein Sektkühler und dient dazu, die Niederschlagsmenge zu messen. Die beiden meteorologischen Handwerkszeuge sind nach ihren Erfindern benannt.
Ein Förderverein bemüht sich in Lindenberg (Oder-Spree) um den Aufbau eines Wettermuseums. Ausstellungsräume, Büros, das Depot, ein Schülerlabor und eventuell Schlafplätze sollen im Gebäude der schon vor einigen Jahren geschlossenen Lilo-Herrmann-Oberschule unterkommen. Doch bis dahin ist es wahrscheinlich noch ein weiter Weg. Es muss enorm viel Geld aufgebracht werden. Vereinschef Bernd Stiller rechnet mit einem Millionenbetrag.
Zunächst gibt es seit September erst einmal eine kleine Wetter-Ausstellung hinter dem eigentlichen Schulgebäude - in einem Flachbau, der auch mal als Kantine diente. Zu den Exponaten zählen ein Heft mit den Wetter-Aufzeichnungen eines Hubschrauber-Landeplatzes der sowjetischen Streitkräfte in Oranienburg und dutzende Radiosonden unterschiedlicher Baujahre. Solche Sonden steigen bis heute an kleinen Ballonen auf und senden Messdaten zum Boden. Stiller ergatterte bei der Polizei auch eine Radiosonde, die im September 2006 in einem Garten im sächsischen Hirschstein landete und zunächst für eine Bombe gehalten wurde.
Die Idee eines großen Wettermuseums ist nicht neu. Es gibt schon eins im russischen St. Petersburg und eins in Irland, aber in Deutschland noch nicht. Schon lange werde in der Bundesrepublik nach einem Standort gesucht, erzählt der Diplom-Meteorologe Stiller. Lindenberg, an der Bundesstraße 246 zwischen Storkow und Beeskow gelegen, könnte der geeignete Ort sein. Hier befindet sich das traditionsreiche Richard-Aßmann-Observatorium, in dem der Deutsche Wetterdienst (DWD) beobachtet und forscht.
Immer wieder gibt es Anfragen von Reisegruppen, die das Observatorium besuchen möchten. Doch im Normalfall ist die Einrichtung nicht zu besichtigen, denn die Wissenschaftler sollen dort in Ruhe arbeiten. Ein Wettermuseum in der ein paar hundert Meter bergab stehenden Schule könnte die ideale Lösung für Touristen und den DWD sein. Die entscheidende Frage ist, wann der Förderverein die notwendigen Summen für Sanierung und Personal beisammen hat. Etwa 20 000 Euro aus Lottomitteln, von der EU und vom Landkreis sind bislang geflossen. »Dafür, dass es uns erst so kurze Zeit gibt, haben wir schon viel erreicht«, meint Stiller.
Davon zeugen Drucke und eine Lichtbildschau mit historischen Aufnahmen, für die ein Spezialist alte Glasfotoplatten digitalisierte. Die Bilder zeigen zum Beispiel das Lindenberger Observatorium oder eine Expedition nach Ostafrika, bei der es darum ging, ob ein in Europa entdecktes Phänomen der Temperaturveränderung in den verschiedenen Luftschichten auch in tropischen Regionen auftritt. Heute weiß man: Die Tropopause liegt über dem Äquator bedeutend höher. Die Tropopause ist jene Schicht unter der Stratosphäre, ab der die Lufttemperatur nicht mehr sinkt, sondern gleich bleibt oder sogar wieder steigt.
Einer der beiden Entdecker der Stratosphäre und damit des genannten Phänomens ist Richard Aßmann (1845-1918). Das Lindenberger Observatorium hat Aßmann aufgebaut und von 1905 bis 1914 geleitet. Darüber ist etliches in der sehr guten Aßmann-Biografie »Der Wettermann« nachzulesen, die Hans Steinhagen 2005 im Findling-Verlag herausbrachte. Wenig findet sich dort logischerweise über das Observatorium nach Aßmann. Hier hilft künftig vielleicht das Wettermuseum weiter.
Der Förderverein möchte nicht nur das Schulhaus übernehmen, sondern auch die 1936 errichtete Ballonwerft kaufen. In dem denkmalgeschützten Gebäude, das derzeit leer steht, möchte der Verein Drachen zeigen, mit denen man einst Messgeräte in die Luft schickte. Immerhin stieg im August 1919 in Lindenberg eine Kette von acht Drachen 9750 Meter in die Höhe. Das sei bis heute Weltrekord, betont Stiller.
»Das Wettermuseum soll zeigen, was Meteorologie war und was sie heute ist und kann«, erzählt Stiller. Was kann die Wetterkunde nicht? Zum Beispiel kann sie nicht belegen, dass es wegen eines Truppenübungsplatzes in einer Region zu wenig Niederschlag gibt. Denn Gewitter regnen nicht dort ab, wo sie entstehen. So wünschenswert die zivile Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt politisch sei, mit einem Klimagutachten habe er da Anfang der 1990er Jahre nicht weiterhelfen können, erinnert sich Stiller.

Wetterausstellung, Schulstraße 4b in Lindenberg (Oder-Spree), auf Antrage unter Tel.: (03 36 77) 625 21 zu besichtigen, Spendenkto.: 31 62 97 48 51, Sparkasse Oder-Spree, BLZ: 17 055 050, www.wettermuseum.de
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