VW-Betriebsrat: Skandal-Konzern agiert »hinterrücks«

Beschäftigtenvertretung erhebt schwere Vorwürfe gegen Markenvorstand: Diesel-Affäre soll für personelle Einschnitte genutzt werden / Manager wollen auf Bonuszahlungen nicht verzichten

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Berlin. Mitten im Dieselskandal bei Volkswagen hat der Betriebsrat dem Markenvorstand Herbert Diess in einem Brief »Unzuverlässigkeit« und heimliche Kürzungspläne vorgeworfen. In dem Schreiben, dass die Gewerkschaft IG Metall bei Volkswagen auszugsweise am Donnerstag veröffentlichte, fordert der Betriebsrat Klarheit über die Zukunft der Marke VW. »So haben wir den Eindruck, dass der Diesel-Skandal hinterrücks dazu genutzt werden soll, personelle Einschnitte vorzunehmen, die bis vor wenigen Monaten kein Thema waren«, heißt es in dem Brief, den VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh mitunterzeichnete.

Der Betriebsrat habe in den vergangenen Wochen und Monaten oft den Eindruck gehabt, dass es auf Seiten des Markenvorstands »deutlichen Nachholbedarf gibt, wenn es um Verlässlichkeit und Verbindlichkeit geht«, heißt es darin weiter.»Ständige wechselnde Zielvorgaben, das Fehlen einer verlässlichen, langfristigen Strategie für die Marke Volkswagen oder pauschale, nicht zu Ende gedachte Sparvorgaben sind hierfür nur einige Beispiele.«

Vom Vorstand der Marke VW forderte der Betriebsrat »eine zentrale Vereinbarung zur Weiterentwicklung der Marke und konkrete Standortvereinbarungen für alle deutschen Volkswagenwerke«. So sollten feste Produkt-, Stückzahl- und Investitionszusagen für die nächsten Jahre festgeschrieben werden. »Einen anderen Weg der Gemeinsamkeit sehen wir derzeit nicht, da es der Markenvorstand an Verlässlichkeit fehlen lässt«, erklärten die Betriebsratsvorsitzenden weiter.

Diess, der erst im Sommer 2015 zu VW stieß, soll die Marke VW wieder rentabler machen. Bereits im Oktober verkündete er ein Sparprogramm. Es sieht unter anderem vor, die Investitionen für die Kernmarke pro Jahr um eine Milliarde Euro zu kürzen. Stellenstreichungen in der Kernbelegschaft schloss Diess bislang aus - Jobstreichungen unter Leiharbeitern dagegen nicht.

Diess äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Dagegen teilte VW-Personalvorstand Karlheinz Blessing mit: »Das Schreiben des Betriebsrats sehen wir als sehr gute Vorlage für die weitere Arbeit. Wir begrüßen ausdrücklich das Verhandlungsangebot für einen langfristigen Zukunftspakt.« Die Sicherung der Standorte liege auch im Interesse des Vorstands, versicherte Blessing. Die Gespräche dazu »werden wir zügig und konstruktiv führen«.

Derweil berichtet »Spiegel Online« am Donnerstag, dass die Vorstände des Autobauers offenbar trotz der Manipulationsaffäre nicht auf ihre Bonuszahlungen verzichten wollen. Die Top-Manager würden allenfalls eine Kürzung ihrer Boni hinnehmen, nicht aber komplett darauf verzichten, heiß es. »Besonders brisant« ist laut »Spiegel Online« eine Sonderzahlung an Hans Dieter Pötsch. Pötsch gab im Oktober 2015 seinen Vorstandsposten als Finanzchef des Wolfsburger Konzerns auf und wechselte an die Spitze des Aufsichtsrates. Dem Bericht zufolge ließ er sich eine Entschädigung von knapp zehn Millionen Euro dafür zahlen, weil sein bis 20147 laufender Vorstandsvertrag ihm höhere Einnahmen garantiert hätte.

VW-Chef Matthias Müller hatte sich im Dezember für Boni-Kürzungen von Mitarbeitern und Vorständen ausgesprochen. Außerdem sagte er mit Blick auf die Krise, dass »etwas mehr Demut und Bescheidenheit« Volkswagen gut anstehe. Ein VW-Sprecher bezeichnete den Bericht als »pure Spekulation«. Es bleibe dabei, dass der Vorstand zu seiner Vorbildrolle stehe, wenn es um die Anpassung der Boni gehe, ergänzte er.

Der Verzicht auf Boni sei keine rechtliche, sondern eine moralische Frage, sagte der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Ulrich Hocker, dem »Tagesspiegel« (Freitagausgabe). Er forderte die VW-Führung auf, »mit gutem Beispiel und Augenmaß« voranzugehen.

VW hatte im September zugegeben, weltweit in rund elf Millionen Fahrzeuge unterschiedlicher Marken des Konzerns eine illegale Software eingebaut zu haben, die den Schadstoffausstoß im Testbetrieb als zu niedrig ausweist. Weltweit drohen dem Konzern hohe Straf- und Entschädigungszahlungen.

Das »Handelsblatt« berichtete unterdessen, dass das Kraftfahrtbundesamt (KBA) seine Nachprüfungen bei Dieselfahrzeugen abgeschlossen habe. Die Ergebnisse lägen den betroffenen Herstellern mit Bitte um Stellungnahme vor, schrieb das Blatt unter Berufung auf Regierungs- und Branchenkreise. Bei den Tests von mehr als 50 Fahrzeugen sei herausgekommen, dass offenbar nur bei Volkswagen Abgaswerte mittels einer Abschalttechnik manipuliert wurden. Allerdings wiesen demnach auch Fahrzeuge anderer Autobauer bei Straßentests Unregelmäßigkeiten auf.

Dem »Handelsblatt« zufolge will das Bundesverkehrsministerium den Endbericht mit Prüfergebnissen und Reformvorschlägen Ende April vorlegen. Das Ministerium teilte am Donnerstag lediglich mit, dass das Gesamtergebnis nach Abschluss der Untersuchungen veröffentlicht werde. »Bisher liegt das Gesamtergebnis nicht vor«, erklärte ein Sprecher. Das Kraftfahrtbundesamt verwies wiederum an das Bundesverkehrsministerium. Agenturen/nd

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