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Thüringens Landesregierung legt Gesetz für für die umstrittene Gebietsreform vor

  • Lesedauer: 3 Min.
Start für die Gebietsreform: Thüringens Landesregierung hat ein Gesetz zu ihrem umstrittenen Projekt mit weniger Kreisen und größeren Gemeinden vorgelegt. Aber auch der Widerstand formiert sich.

Erfurt. Thüringens rot-rot-grüne Landesregierung macht ernst mit der umstrittenen Gebietsreform. Sie beschloss am Dienstag in Erfurt den Entwurf des Vorschaltgesetzes, das den Weg für größere Gemeinden und weniger Kreise und kreisfreie Städte frei macht, mit einigen Korrekturen. Es werde jetzt dem Landtag zugeleitet, der das letzte Wort habe, sagte Innenminister Holger Poppenhäger (SPD). Konkretisiert worden sei, dass die Städte und Gemeinden von der Verabschiedung des Gesetzes möglicherweise Ende Juni bis 31. Oktober 2017 Zeit für freiwillige Zusammenschlüsse haben. Gemeinden sollen künftig eine Mindestgröße von 6000 Einwohnern erreichen.

Für den neuen Zuschnitt der Kreise, die zwischen 130 000 und 250 000 Einwohner haben sollen, will Poppenhäger einen ersten Vorschlag im Herbst machen. Das dazugehörige Gesetz solle im Frühjahr 2017 folgen. Zudem kündigte der Minister ein Vorschaltgesetz auch für die von Rot-Rot-Grün geplante Verwaltungsreform an. Es könnte möglicherweise noch im April erstmals im Kabinett beraten werden. »Damit der Gleichklang von Gebiets- und Verwaltungsreform deutlich wird«, sagte der Minister. Unterdessen formiert sich der Widerstand gegen die Gebietsreform.

Weimar, das seinen Statuts als kreisfreie Stadt verlieren soll, sammelt Tausende Unterschriften dagegen. Zudem ist nach Angaben der Stadt eine Demonstration am 21. April vor dem Landtag geplant. An dem Tag soll sich das Parlament erstmals mit dem Vorschaltgesetz befassen. CDU-Fraktionschef Mike Mohring erklärte, eine Fristverlängerung bei der Freiwilligkeitsphase und andere kleine Änderungen würden das Grundprobleme der Reform nicht beseitigen. Ihr Nutzen für das Land sei nicht bewiesen, so Mohring.

Kritik kommt auch von den kommunalen Spitzenverbänden. Der Landkreistag hegt verfassungsrechtliche Bedenken. Der Städte- und Gemeindebund kann sich unter anderem mit dem Vorhaben der Regierung, die Verwaltungsgemeinschaften abzuschaffen, nicht anfreunden. Die Regierung habe die Kritikpunkte der Kommunalverbände nicht aufgegriffen und nur kosmetische Korrekturen vorgenommen, sagte der Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes, Ralf Rusch. »700 Gemeinden sollen umstrukturiert, teilweise aufgelöst werden.«

Der Verein »Selbstverwaltung für Thüringen« plant ein Volksbegehren. Poppenhänger sprach davon, dass zwölf der 17 Kreise Beschlüsse gefasst hätten, »dass sie keine Strukturveränderungen wollen«.

Nach Angaben des Ministers soll die Gebietsreform die Leistungskraft der Kommunen angesichts sinkender Einwohnerzahlen sichern. Dem Vorschaltgesetz liege die aktuelle Bevölkerungsvorausberechnung von Anfang April zugrunde.

Im Gesetz der Regierung wurden im Vergleich zum ersten Entwurf einige Veränderungen vorgenommen. Poppenhäger nannte unter anderem die Bildung von Übergangsgemeinderäten, die Möglichkeit von Zusammenschlüssen über bestehende Kreisgrenzen hinweg oder eine höhere Entschädigung ehrenamtlicher Ortsteilbürgermeister.

Für die freiwilligen Gemeindefusionen bis Herbst 2017 setzt die Regierung wie angekündigt eine Art Hochzeitsprämie aus. Dafür sind nach dem Gesetzentwurf rund 155 Millionen Euro vorgesehen. Davon sollen 55 Millionen Euro für die Entschuldung finanziell stark angeschlagener Städte und Gemeinden genutzt werden. dpa/nd

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