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Der Skandal im Skandal

Angeblich Einigung über die Vorstandsvergütungen bei VW - die Boni sollen ein bisschen knapper ausfallen

  • Roland Bunzenthal
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie viel Bonus steht den VW-Chefs angesichts der Abgas-Affäre zu? Die Diskussion wirft ein Schlaglicht auf fragwürdige Tantiemen.

Das Zahlenwerk zu den Vergütungen im VW-Konzern ist inzwischen relativ komplett. Beschlossen werden soll es in einer Woche vom Aufsichtsrat - dann muss noch im Juni die Hauptversammlung abschließend ihren Segen erteilen. Enthalten sind die Boni der Konzernmanager für das Geschäftsjahr 2015, die in den vergangenen Tagen für öffentliche Aufregung sorgten.

Selbst wenn diese Berichte die gesetzlichen Transparenzregeln befolgen, wird die Lektüre dadurch nicht einfacher. Fachbegriffe wie »Long-Term-Incentives«, »Individueller Anpassungsfaktor« oder »Schwellenwert« wabern etwa durch den VW-Vergütungsbericht für 2014. Fein säuberlich werden in dem 20-seitigen Anhängsel zum Geschäftsbericht die Faktoren aufgelistet, die zum Rekordgehalt des Vorstandes beitrugen: Langfristige Verhaltensanreize gehen dabei Hand in Hand mit »bonifizierten Leistungen«. Wobei Bonus nicht gleich Bonus ist: Es gibt bei VW drei vergangenheitsbezogene variable Teile, eine Grundvergütung samt Nebenleistungen bis hin zum eigenen Chauffeur und einen zukunftsgerichteten Anreiz. Die variablen Faktoren machen inzwischen 90 Prozent der Vorstandsvergütung aus. Das Vergütungssystem wurde vor einem Jahr auf einer Hauptversammlung mit 99,44 Prozent der gültigen Stimmen beschlossen.

Wie kommt es, dass sich seinerzeit der damalige Chef Martin Winterkorn 16 Millionen und der Gesamtvorstand 65 Millionen Euro mehr oder weniger selbst genehmigen konnten? Das ist umso merkwürdiger, als im Aufsichtsrat bei VW Gewerkschaften und Politik (Land Niedersachsen) zusammen eine Mehrheit gegenüber den Vertretern der Kapitalseite haben. Die Fäden zog seinerzeit der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber. Er gehörte dem sechsköpfigen Aufsichtsratspräsidium an, das eigentlich entscheidet, was die Herren Vorstände verdienen dürfen und was der Forderung des Gesetzgebers nach »angemessener« Vergütung am ehesten entspricht.

Deshalb wurde auch der aktuelle Bonus-Verzicht, der sich laut Medienberichten auf 30 Prozent belaufen soll, im kleinen Kreis ausgekungelt. Dabei drängt die Zeit: Am 28. April ist Pflichtveröffentlichungstermin.

In der Pressemitteilung aus Wolfsburg von Mittwoch liest sich das bisherige Verhandlungsergebnis dann so: »Aufsichtsrat und Vorstand sind sich einig, dass angesichts der aktuellen Lage des Unternehmens ein Zeichen auch beim Thema Vorstandsvergütung gesetzt werden muss. Derzeit werden verschiedene Modelle diskutiert und abgestimmt, die für alle Beteiligten eine angemessene und faire Lösung darstellen. In der Konsequenz würde dies zu einer deutlichen Absenkung der variablen Vergütung führen.«

Mit Spannung wird erwartet, ob dies auch den früheren Rekordgehaltsempfänger Winterkorn trifft, der bis zu seinem Rücktritt im September 2015 im Zuge des Abgas-Skandals VW führte. Er kann ja auf die Erfolge der Vergangenheit verweisen. Unter seiner Regie war VW dicht zum Weltmarktführer Toyota aufgerückt und setzte gerade zum Überholvorgang an, als ihm die US-Umweltschutzbehörde mit ihrer Abgaskontrolle ausbremste.

Für die IG Metall hat dagegen die Gesamtbelegschaft das Verdienst der relativ guten Geschäftsentwicklung. Daher fordert die Gewerkschaft auch einen Bonus für alle Beschäftigten. Konzernführung und Betriebsrat haben sich bereits auf eine »Anerkennungsprämie« für 2015 geeinigt.

Winterkorn zieht sich bisher auf das Argument zurück, dass die Boni ja seine Leistung in der Vergangenheit honorieren sollen. Anders als bei den aktuellen Rücktritten bei RWE oder Bilfinger sind bei VW bislang noch keine Verluste angefallen.

Für die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) gleicht Winterkorn einem Mann, der aus dem 30. Stock eines Hochhauses fällt und ruft: »Noch ist mir nichts passiert.« Die Kleinaktionärslobby will jedenfalls den Skandal im Skandal auf der Hauptversammlung zum Thema machen. Ob dies eine der äußerst seltenen Nichtentlastungen des Vorstandes zur Folge haben wird, ist angesichts der Eignerstruktur - die Mehrheit der stimmberechtigten Aktien liegt bei den Familien Piëch und Porsche - nicht zu erwarten.

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