Rückkehr der Schleppermafia

Sicherheitsbehörden Österreichs wollen Tragödien wie in Parndorf verhindern

  • Manfred Maurer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Die von Österreich organisierte Sperre der Westbalkanroute freut die Schlepper: Sie sind nun wieder groß im Geschäft.

Österreich will alles daransetzen, dass die Grenzen für Schutzsuchende weiter dicht bleiben. Denn der rot-schwarzen Bundesregierung sitzt die rechtspopulistische FPÖ im Nacken. SPÖ-interne Kritiker am immer restriktiveren Asylkurs Österreichs schmettert Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil mit dem Hinweis ab, dass ein unkontrollierter Massenansturm wie im vergangenen Jahr ein »Förderungsprogramm« für FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wäre. Da könnte man ihm »jetzt schon den Schlüssel für das Kanzleramt in die Hand drücken«, so der Minister.

Manche meinen freilich, der von der ÖVP diktierte Kurswechsel würde der FPÖ nicht das Wasser abgraben, sondern selbiges vielmehr auf die Mühlen der Rechtspopulisten leiten. Denn deren radikale Positionen werden dadurch zusätzlich legitimiert.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) holte sich am Freitag in München jedenfalls gern das Dankeschön des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) ab. Während in der deutschen Hauptstadt die Kritik an den österreichischen Maßnahmen zur Eindämmung des Migrantenzustromes nur etwas leiser geworden ist, zeigt der Freistaat Bayern seine Zufriedenheit über die tatsächlich stark gesunkene Zahl an Neuankömmlingen offen. Allerdings profitiert die Schleppermafia von der Maßnahme.

Denn die Schlepper werden auf jeden Fall gefördert. Hatten die nach der Öffnung der Grenzen im September nur noch wenig zu tun, so beginnt ihr Geschäft nun wieder zu florieren. Nahezu täglich greift die Polizei auf den österreichischen Durchzugsrouten vom Süden und Südosten Richtung Deutschland mit Migranten vollgepferchte Kleintransporter auf. Zu Wochenbeginn war ein Ukrainer gestellt worden, der in einem Kastenwagen 27 Iraker und Afghanen aus Ungarn nach Oberösterreich gebracht hatte. Die meisten der Geschleppten stellten sofort Asylanträge. In der Nacht auf Freitag wurden im Burgenland bei vier Kontrollen insgesamt 43 Personen aus Schlepperfahrzeugen aufgegriffen.

In einem solchen Fall kam es auf der Ostautobahn (A4) unweit von Parndorf am 27. August vergangenen Jahres zu einer Tragödie mit weitreichenden politischen Folgen. Auf einem Parkplatz war ein aus Ungarn kommender Kühlwagen entdeckt worden, in dessen Laderaum die Leichen von 71 Migranten lagen. Der schockierende Fund löste nicht nur eine Sympathiewelle für Flüchtlinge aus, sondern führte auch zum ersten großen Flüchtlingsabkommen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel: Mit Österreich vereinbarte sie die Öffnung der Grenzen, so dass Zehntausende in Ungarn festsitzende Flüchtlinge nach Österreich und von dort weiter nach Deutschland oder Schweden ziehen konnten. Die offensichtlich unterschätzte Sogwirkung ließ den großen Flüchtlingsstrom auf der Balkanroute immer weiter anschwellen, ehe Österreich im Januar mit den Balkanländern die Sperre dieses Fluchtweges durchsetzte.

Die neuerdings wieder zu sehenden Bilder von Laderäumen, in denen Dutzende Flüchtlinge auf engsten Räumen eingepfercht nach Österreich geschleppt wurden, rufen die Tragödie von Parndorf in Erinnerung. Die damalige Willkommenskultur hat sich inzwischen längst verflüchtigt. Das könnte sich allerdings ändern, wenn demnächst wieder ein Lastwagen voller Leichen gefunden werden sollte.

Umso mehr versuchen die Sicherheitsbehörden, durch massive Kontrollen jedes verdächtige Fahrzeug rechtzeitig aus dem Verkehr zu fischen. Weil es tatsächlich immer schwieriger wird, die Menschenfracht über die Grenze zu bringen, lassen die Schlepper ihre Kunden vielfach schon in Ungarn aussteigen und schicken sie zu Fuß über die grüne Grenze weiter.

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