Hotelhochhaus bunt bemalt

Leipziger Künstler verschönert in Templin das ehemalige FDGB-Ferienheim »Friedrich Engels«

  • Jeanette Bederke
  • Lesedauer: 3 Min.
Das einstige DDR-Ferienheim in Templin, ein Zwölfgeschosser, wird von dem Leipziger Künstler Michael Fischer-Art bemalt. Während der Arbeit hat er Kost und Logis frei.

Wer sich dem Ahorn-Seehotel in Templin (Uckermark) nähert, guckt zweimal hin: Über zwölf Etagen erhebt sich am glasklaren Lübbesee ein gelb-oranger Block. Wo die zwei Flügel des 1000-Betten-Hauses aufeinandertreffen, zieren unzählige bunte Köpfe die Fassade. Sie könnten einem Comic entstammen - die Malweise ist seit 1993 Markenzeichen von Michael Fischer-Art. Der Leipziger Künstler liebt es, Betrachter mit grellbunten Farben anzulocken.

Fischer-Art reizen vor allem Hausfassaden, wie Beispiele in Leipzig, Dresden, Hannover oder Freiberg zeigen. Kaum ein Künstler weltweit hat so viel Fläche bemalt. Der 47-Jährige hat dem tristen Beton den Kampf angesagt. »Ich betrachte ein Gebäude und sehe, was ihm fehlt.«

So gab es für ihn im Sommer 2015 kein langes Zögern, als der Inhaber der Ahorn-Hotel-Kette, Michael Bob, ihn bat, sich den Zwölfgeschosser in Templin vorzunehmen. Gut für den Künstler: »Ich habe Übernachtung und Verpflegung quasi frei Haus.« Dafür macht er Tag für Tag einen Knochenjob. Sein Antrieb: »Jeder Quadratmeter Sichtbeton, der verschwindet, ist ein Sieg.«

Hoteldirektorin Yvonne Schnell freut sich. »Mittlerweile ist unser Hotel zu einem beliebten Fotoobjekt geworden, nicht nur bei unseren Gästen.« In Neubrandenburg hatte sie einen von Fischer-Art gestalteten Büroblock entdeckt und ihrem Chef davon erzählt.

Der Künstler will den Betrachter über die Motive - Sonnenstrahlen, Weltkugel, Paternoster und Blumenranken - einmal um das riesige Gebäude herumführen. Wer das ausprobiert, sieht auch, wie das 1984 als FDGB-Ferienheim »Friedrich Engels« erbaute Hotel einstmals aussah.

»Kein Mensch will doch auf diesen Waschkies blicken, schon gar nicht im Urlaub«, behauptet Fischer-Art. Er schätzt, dass er noch bis Jahresende an der Verschönerung der 12 400 Quadratmeter Fassadenfläche zu tun haben wird. Gerade mal ein Drittel habe er geschafft. Am Ende dürfte er 8,5 Tonnen Acryl-Farbe verbraucht haben.

Der monumentale Komplex ist für den Künstler und die Hotelchefin inzwischen zu einem Gesamtkunstwerk geworden. Nicht nur der Fassade wird künstlerisch Farbe verpasst, auch im Inneren finden sich Fischer-Arts Malereien wieder, am großen Brunnen im Foyer, als Wandfries in Restaurants und Bars, als Kunstdruck in jedem Hotelzimmer.

Yvonne Schnell hat bereits Merchandising-Produkte mit Fischer-Art-Dekor in Auftrag gegeben: Tassen, Kalender, Postkarten, Handtücher, Servietten. Eine Gästebefragung habe ergeben, dass 98 Prozent die bunte Hotelverzierung begrüßten.

Auch in der Stadt wird Fischer-Arts wachsender Farbenrausch beobachtet. »Ich finde es gut. Das belebt den Hotelblock, der zu einem neuen Touristenanziehungspunkt werden könnte«, sagt Christine Splinter, Inhaberin eines Modegeschäfts in der Templiner Innenstadt.

Schnell hat bereits Ideen für die Parkgestaltung des 33 Hektar großen Hotel-Außengeländes. »Dort sollen Fischer-Arts Skulpturen hin, punktuell möchte ich einige auch in der Stadt postieren«, sagt die Hoteldirektorin.

Über das Honorar für das Gesamtkunstwerk nach Fischer-Art schweigt sie allerdings lieber. dpa

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