Hoffnungsschimmer in ernster Zeit

Das Produktionskollektiv der Debattenzeitschrift »ak« leidet unter einem Generationenkonflikt

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 4 Min.
Die traditionsreiche linke Monatszeitung »ak - analyse & kritik« befindet sich nach eigenen Angaben in einer »ernsten Krise«. Doch die Phase der Konsolidierung hat bereits begonnen.

»Die große Unterstützung von anderen Medienprojekten war eine richtige Ermutigung«, sagt Jan Ole Arps. Er ist seit 2009 Redakteur beim »ak«. Die Märzausgabe der Zeitung hatten fast komplett befreundete Redaktionen und Medienprojekte gestaltet. Die Redaktion des »ak« und die anderen Bereiche des Kollektivs wie Vertrieb und Buchhaltung bekamen so die Möglichkeit, sich Zeit zu nehmen, um die internen Probleme und Streitigkeiten, die sich in den letzten Monaten zugespitzt hatten, zu diskutieren.

Die Zeitschrift »ak – analyse und kritik« besteht seit 1971. Bis 1992 wurde sie unter dem Titel »Arbeiterkampf« vom Kommunistischen Bund herausgegeben, der damals ein vergleichsweise offenes Verhältnis zu den sozialen Bewegungen zeigte. Seitdem steht »ak« für ein ausgewogenes linkes Diskussionsmedium. Hier finden politische Aktivistinnen und Aktivisten Hintergründe zu aktuellen Kampagnen und diskutieren selbst zu Schwerpunkten wie Feminismus, Antirassismus, Atomkraft oder Antifaschismus. Die Probleme, an denen das kollektive Zeitungsprojekt »ak« nun knabbert wurden zum Teil seit Jahren mitgeschleppt. Im letzten Herbst ist die Krise ausgebrochen. Die langjährigen Redaktionsmitglieder Gabi Bauer und Ingo Stützle verließen das Projekt. Ein anderer Mitstreiter, der vor allem für die Produktionstechnik verantwortlich war, erklärte später, dass er plane, sich zurückzuziehen – allerdings nach einer geordneten Übergabe seines Arbeitsbereiches. Die Redaktion hatte sich gegenüber der Leserschaft erstmals im Februar zu den internen Schwierigkeiten bekannt.

Offen zu Tage getreten waren die Konfliktlinien bei der Diskussion über den Vertrieb und die Erstellung einer neuen Webseite. Bereits seit dem Zeitungsrelaunch 2011, als das Blatt ein neues Layout erhielt, wurde im Projekt über die Entwicklung eines neuen Webauftritts diskutiert. Einige Redaktionsmitglieder brannten für die Idee, die Webseite des »ak« in ein lebendiges Forum für Netzdiskurse umzuwandeln. Die Homepage – bislang hauptsächlich Archiv für die erschienenen Ausgaben – sollte endlich die Diskussionen mit der Leserschaft auch zwischen den monatlichen Ausgaben ermöglichen. Für das Projekt wurden umfangreiche Vorarbeiten durchgeführt, doch das Vorhaben scheiterte. »Wir sind mit der neuen Webseite schwer auf die Schnauze gefallen«, so Arps. Der Grund: Sie ließ sich nicht anbinden an das bestehende Redaktionssystem. »Man arbeite eben«, schreibt die Redaktion, »mit nicht-standardisierten technischen Lösungen, die zwar speziell auf uns zugeschnitten sind, aber die Übergabe dieser Bereiche an Neue erschweren und teilweise auch aufwendige Anpassungsarbeiten nach sich ziehen«.

In diesen technischen Fragen bestehe so eine starke Abhängigkeit von einzelnen älteren Kollektivmitgliedern, für welche die Arbeit beim »ak« ein ökonomisch und sozial wichtiger Pfeiler sei. Letzteres schrieb die Redaktion im Editorial der Märzausgabe an ihre Leserschaft. Ferner werden dort die Schwierigkeiten einer »Generationenübergabe« erläutert: Für die einen ist der »ak« eher Arbeitsplatz, für die anderen eher ein politisches Projekt. Jan Ole Arps fasst zusammen: »Gescheitert sind wir daran, die unterschiedlichen Prioritäten in Einklang zu bringen.« Die Zeitung befindet sich nun mitten in einem Modernisierungsprozess der auch die Bereiche der interner Kommunikation, die Organisationsstruktur und die Art Entscheidungsfindung berührt.

Zu den redaktionsinternen Querelen kommen auch äußere Probleme hinzu: Die Lebens- und Arbeitswirklichkeit der Redaktionsmitglieder hat sich verändert. Immer mehr Mitglieder des Kollektivs stecken in prekären Arbeitsverhältnissen. So könnten sie nicht mehr so viel Zeit für das Projekt aufwenden, wie das früher der Fall war, erklärt Jan Ole Arps. Im Moment besteht die Redaktion aus sechs bezahlten Redakteuren und Redakteurinnen. Das Gehalt sei aber äußerst gering, erläutert Arps.

Auch wenn die vielen Diskussionen noch nicht zu einer einhelligen Lösung geführt haben, sei man jetzt immerhin wieder »arbeitsfähig«, so Arps. Ein eindeutiger Beweis hierfür liegt nun auf den Ladentischen von Bahnhofsbuchhandlungen und linken Buchläden: Am Dienstag kam die – nun wieder selbst erstellte – aktuelle Ausgabe des »ak« heraus. Das Kollektivmitglied Arps klingt vorsichtig optimistisch: »Wir versuchen, die reguläre Produktion weiterzuführen«. Die ökonomischen Voraussetzungen sind eigentlich nicht schlecht. Man habe in den letzten Jahren die Zahl der Abonnenten von 2500 auf 3600 erhöhen können. Zudem gäbe es ausreichend Förderabos, mit denen man verbilligte Sozialabos finanzieren könne. Somit stehe immerhin die gedruckte Ausgabe nicht zur Disposition.

Arps hofft, dass auch die anderen Probleme bald gelöst werden können. Eine Hoffnung, der sich die Journalistin und Aktivistin Mag Wompel vom gewerkschaftlichen Internetprojekt »Labournet« anschließt: Der »ak« sei ein »Spiegel der aktuellen Debatten« und habe als Monatszeitung »die beneidenswerte Fähigkeit, wichtige Ereignisse und Bewegungen jenseits des tagespolitischen Aktionismus gut abgelegen zu betrachten«. Dies unterstreicht auch der Aktivist von »Afrique-Europe-Interact« und »ak«-Autor Olaf Bernau. »Die Zeitung ist unverzichtbar« sagt er, sie kämpfe nicht für eine »allein selig machende Wahrheit«. Vielmehr schaffe sie Raum für einen linken Pluralismus, welchen Bernau zu schätzen weiß. Seiner Meinung nach könne nur eine Linke Erfolg haben, die es gelernt hat, trotz inhaltlicher und organisatorischer Differenzen zusammenzuarbeiten.

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