»Ich bin ein Nazi, ich mach dich fertig«

Amtsgericht Tiergarten verhandelte über rechtsradikalen Alkoholiker, der in der S-Bahn eine Familie bedrängte

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.
Der 33-jährige Christoph Sch. ist arbeitslos, ungelernt, Neonazi und Alkoholiker mit Dauerabo auf Knast und Entziehungsanstalt. Am Freitag stand er erneut wegen Volksverhetzung vor Gericht.

Still und bescheiden, fast ein wenig ängstlich, sitzt er hinter seinen beiden Verteidigern und lässt das Blitzlichtgewitter ohne Versteckspiel über sich ergehen. Seine Augen hinter dicken Brillengläsern flattern aufgeregt zwischen Gericht und Zuhörern hin und her, einen Zettel für Notizen hat er sich zurechtgelegt. Bekannt wurde Sch. nach einer menschenverachtenden Aktion am 22. August 2015. Da soll er im Suff mit einem Gesinnungsfreund unter Nazigebrüll in der Ringbahn S 41 auf eine Familie uriniert haben, die dem Aussehen nach nichtdeutscher Herkunft war.

Die Staatsanwaltschaft nennt dieses Delikt nicht. Es konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Er habe in der S-Bahn antisemitische und rassistische Parolen gebrüllt, den Hitlergruß gezeigt und sein Geschlechtsteil und das Gesäß entblößt, um seine Missachtung von Ausländern kundzutun, heißt es in der Anklage. »Ihr seid keine Arier, alle Asylanten sind nicht Rasse, ich bin Rassist«, soll er der verängstigten Mutter mit ihren zwei Kindern zugeschrien haben, bevor er die Hosen fallen ließ.

Wochen vor dieser Tat war er in der S-Bahn aufgefallen, hatte »Heil Hitler« gebrüllt und außerdem einen Fahrgast geschlagen und getreten. Natürlich betrunken. »Ich bin ein Nazi, ich mach dich fertig«, schrie er seinem Opfer entgegen, bevor er zutrat. Über seine Anwälte gesteht Sch. all die in der Anklageschrift genannten Taten. Nur eines stimme nicht, lässt er dem Schöffengericht erklären: Er habe bei dem Vorfall am 22. August nicht sein Geschlechtsteil und seinen Hintern gezeigt, ihm sei in der S-Bahn nur versehentlich die Hose heruntergerutscht. Mehr wolle er dazu nicht sagen, da es sehr gefährlich für ihn sei. Der »Presseterror« sei zu stark.

Sein Kumpan Robert Sch., der in der S 41 dabei war, ist nicht mitangeklagt. Er wird zur Zeit auf seinen Geisteszustand hin untersucht. Die Mutter, die von dem Nazi in übelster Weise bedrängt wurde, hatte sich damals nicht bei der Polizei gemeldet, und konnte nicht vor Gericht angehört werden. Stattdessen schilderten mehrere Zeugen, wie sie das Geschehen vom 22. August wahrgenommen hatten.

Christoph Sch., Vater eines 14-jährigen Kindes, das bei der Mutter lebt, ist eine durch und durch traurige Gestalt. In Sömmerda geboren und bei seiner Mutter aufgewachsen, rutschte er noch als Jugendlicher in den Alkoholsumpf, erlernte keinen Beruf, ging nie richtig arbeiten. Stattdessen trank er viel. Es gab und gibt in seinem wirren Weltbild immer Menschen, die unter ihm standen und stehen: Flüchtlinge, Ausländer, Juden. Der Alkohol sei schuld an seiner Situation, erklärte er in einem seiner früheren Prozesse. Nun ist der Alkohol zwar an vielem schuld, nicht aber an seiner miesen Gesinnung.

Im Gefängnis werde er von anderen Häftlingen immer schlecht behandelt, soll er in einem früheren Prozess erklärt haben. Nach seiner Verurteilung in Erfurt im Jahr 2009 zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft wurde er einem Bewährungshelfer unterstellt und bekam striktes Alkoholverbot bis 2020. Doch daran hielt er sich nach seiner Entlassung nie. Kaum raus aus dem Knast griff er wieder zur Flasche. Insgesamt 20 Einträge über ihn stehen im Bundeszentralregister für Straftaten seit dem Jahr 2000. Darunter Nazihetze, Diebstahl, Körperverletzung, Vergewaltigung und Nötigung. Mehrere Jahre Knast kamen bisher zusammen.

Festgenommen wurde er zuletzt am 29. Oktober 20015 bei einer »Bärgida«-Demonstration. Auch dort fiel er durch Nazi-Gepöbel auf, in der Hand eine geklaute Wodkaflasche. Dafür kassierte er im Januar eine neunmonatige Verurteilung wegen Volksverhetzung und Diebstahls. Er sei eigentlich nach Berlin gekommen, um sich von der rechten Szene zu lösen, erklärte er bei seiner letzten Verurteilung. Doch wie es der Teufel will, geriet er wieder mal an die falschen Freunde und landete bei den Ausländerfeinden von »Bärgida«. Der Angeklagte ist nach Behördenangaben wegen Volksverhetzung, Körperverletzung und Nötigung vorbestraft. Der aktuelle Prozess wegen Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wird am 26. April in Berlin fortgesetzt.

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